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Walküre

Walküre

Titel: Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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was ich habe, Herr Hauptkommissar, ist ein Bündel einzelner Fakten. Vermutlich hatte Jens auch nicht mehr, aber er muss einen größeren Zusammenhang gesehen haben. Ich bin bereit, all meine Kenntnisse mit Ihnen zu teilen, wenn ich dafür mit einer kleinen Gegenleistung rechnen darf. Herr van Heiden hat mir Ihre vollständige Kooperation zugesichert. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn sich diese Kooperation auch darauf erstrecken würde, mich über Ihre Fortschritte ausführlich zu informieren. Ich befürchte, dass dieser Fall unsere gemeinsame Grenze überschreitet und vielleicht noch weiter reicht. Und wenn meine ... unsere Vermutungen zutreffen, dann ist ein hoher dänischer Polizeibeamter in Hamburg ermordet worden. Keine unbedeutende Angelegenheit.«
    Fabel betrachtete sie ein paar Sekunden lang. Sie hatte ihr Make-up in ihrem Zimmer aufgefrischt. Eine andere Nuance, die ihr Aussehen subtil änderte. Möglicherweise fiel es jemandem mit vollkommen regelmäßigen Zügen leichter als anderen, sich zu verwandeln. Fabel vermutete, dass sich Karin Vestergaard trotz ihrer Schönheit ein schlichtes und uninteressantes Aussehen zulegen konnte.
    »Ich nehme an, Sie werden eine Zeit lang in Hamburg bleiben.«
    »Ich habe meinen Rückflug offen gelassen.«
    »Vielleicht sollten wir über ein anderes Hotel nachdenken ... Hier war der Tatort, wenn Jespersen wirklich ermordet wurde.«
    »Dann könnte es helfen, in der Nähe des Tatorts zu sein.« Ihre Miene verriet immer noch nichts über ihre Gefühle.
    »Wenn Sie das so wollen«, sagte Fabel. »Aber ich werde Ihnen einen Beamten zuweisen. Nur damit er die Dinge im Auge behält.«
    »Das ist nicht nötig«, widersprach Karin Vestergaard. »Ich habe doch erwähnt, dass Jens Jespersen früher mein Vorgesetzter war, anders als in letzter Zeit. Damals waren wir beide in der Politiets Aktionsstyrke. Glauben Sie mir, Herr Fabel, ich bin durchaus imstande, auf mich selbst aufzupassen.«
    »Genau wie Jespersen«, kommentierte Fabel.
     
9.
    Es war beruhigend, wieder hier zu sein. In Norwegen. In Oslo. In diesem Licht. Seltsam, doch beruhigend.
    Die Wolken hatten sich aufgelöst, und die stets optimistischen Osloer Cafebesitzer hatten Aluminiumtische und -stühle sowie hier und da strategisch günstige Patioheizkörper auf die Straßen gestellt.
    Birta Henningsen saß in einem Straßencafe und beobachtete durch ihre Sonnenbrille, wie die eisblauen Wagen der Oslotrikken unter einem genauso eisblauen, von weißen Wolkenfetzen durchzogenen Himmel hin und her fuhren. Die Februarsonne, die Oslo beschien, strahlte zwar, besaß jedoch keine wirkliche Wärme. Aber genau das entsprach Birtas Bedürfnissen. Sie gehörte in dieses Klima, in dieses Licht, in diese saubere, kühle Luft – in diese Umgebung. Natürlich hatte sie, hauptsächlich infolge ihrer Arbeit, auch das Mittelmeer und andere schöne Gebiete der Welt besucht, doch dort hatte sie immer das Gefühl gehabt, als Ausländerin aufzufallen. Und Birta behagte es nicht aufzufallen.
    Hier im Norden fühlte sie sich heimisch.
    Birta hatte eine leichte Mahlzeit zu sich genommen, und nun stellte der Kaffee einen Teil ihrer Energie wieder her. Es war eine lange – siebenstündige – Fahrt von Stockholm gewesen, und am Tag zuvor hatten sie die gesamte Strecke von Kopenhagen – über die Oresundbrücke hinweg – zurückgelegt. Nach dem Ereignis würde sie sich wieder nach Stockholm aufmachen. Ihre Gedanken wandten sich dem Treffen zu, das später am selben Tag stattfinden sollte. Es repräsentierte eines der wichtigsten in ihrer Laufbahn. Sie hatte sich gut darauf vorbereitet, denn sie arbeitete besser, wenn sie all ihre Recherchen und Planungen lange im Voraus abschloss und sich unmittelbar vorher einfach entspannte.
    Drei Tische von ihr entfernt saß eine Mutter mit zwei Kindern. Birta beobachtete sie. Die Frau war ungefähr in ihrem Alter, hatte Birtas Teint und kleidete sich mit typischem Oslo-Chic. Teuer, doch zurückhaltend. Und warm. Aber im Gegensatz zu Birta wirkte die junge Mutter nicht völlig beherrscht, sondern sie schien einem vagen Gefühl des Chaos ausgesetzt zu sein. Birta erkannte die Folge der Mutterschaft: Ein erheblicher Teil des Lebens einer Frau konnte nicht mehr von ihr kontrolliert werden. Sie fragte sich, was für ein Gefühl das sein mochte.
    Sie richtete die Augen erneut auf die Straßenbahnen und die Passanten. Birta hatte nie Kinder gehabt, hatte sich nie geteilt. Und das würde auch nie der Fall sein. Sie

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