Walküre
trat heran, und sie gaben ihre Bestellung auf.
»Hat deine Mutter dir gesagt, worüber ich mit dir reden will?«, fragte er, nachdem sich die Kellnerin entfernt hatte.
»Eigentlich schon. Oder jedenfalls das, worüber du ihrer Meinung nach mit mir sprechen solltest.« Gabi schob einige verstreute Salzkörner zu einem kleinen Haufen zusammen. »Sie möchte, dass du mich von der Polizeilaufbahn abbringst.«
»Wirklich, ich dachte, du würdest mich besser kennen«, sagte er entrüstet. »Und deine Mutter auch. Außerdem weiß ich ganz genau, dass ich es nicht schaffen könnte, dich von einem Plan abzubringen oder dir etwas auszureden.«
»Entschuldige, Dad.«
»Trotzdem möchte ich mit dir darüber reden. Wenn du es wirklich willst, werde ich voll hinter dir stehen. Aber du musst wissen, worauf du dich einlässt.«
»In Wirklichkeit – aber sag Mutti nichts davon – habe ich noch keinen Entschluss gefasst. Ich denke nur darüber nach, das ist alles. Als Erstes möchte ich Jura studieren. Vielleicht Kriminologie. Dann sehen wir weiter.«
»Das ist eine gute Idee, Gabi. Lass dir alle Möglichkeiten offen.«
»Was würdest du denn davon halten, wenn ich zur Polizei ginge?« Gabi betrachtete Fabel mit ernster Miene, und einen Moment lang erinnerte er sich an das strenge Gesichtchen, das sie als kleines Mädchen immer aufgesetzt hatte, wenn sie sich konzentrierte.
»Wie gesagt, Gabi, es ist deine eigene Entscheidung.«
»Das war nicht meine Frage. Ich möchte wissen, was du davon halten würdest.«
Fabel schaute an Gabi vorbei in die Richtung, die Christa Eisel eingeschlagen hatte. Ein Mädchen, das nur ein paar Jahre älter als seine Tochter war.
»Ich glaube, es gibt schlechtere Wege. Viel schlechtere. Aber ich will nicht behaupten, dass ich mir keine Sorgen um dich machen würde.«
»Wegen der Gefahr?«
»Wegen der physischen Gefahr, sicher. Aber die psychische Gefahr spielt auch eine Rolle. Einige der Dinge, die man sieht. Einige der Menschen, mit denen man zu tun hat. Es ist eine ganz neue Dimension des Lebens, auf die du normalerweise nicht stoßen würdest.«
»Du wirst doch auch damit fertig.«
»Nicht so gut wie nötig, wenn ich ganz ehrlich sein soll. Deshalb hätte ich den Bettel letztes Jahr beinahe hingeschmissen.«
»Siehst du, Dad, das wusste ich nicht. Du sprichst nie mit mir über deine Arbeit.«
»Entschuldige. Vielleicht hätte ich es tun sollen. Aber der größte Teil der Polizeiarbeit ist langweilig oder deprimierend. Nimm meinen Job. Es ist einer der Spitzenposten bei der Polizei, und man könnte ihn für aufregend und faszinierend halten, wenn man alles glaubt, was in der Presse zu lesen oder im Fernsehen zu bewundern ist. Glaub mir, das trifft nicht zu. Neunundneunzig Prozent ... mehr als neunundneunzig Prozent der Mordfälle, die ich untersuche, werden von Leuten mit niedriger Intelligenz unter Alkohol- oder Drogeneinfluss und in einer schäbigen, verwahrlosten Umgebung begangen. In Wirklichkeit ist Mord vulgär. Wie die allermeisten Verbrechen. Da draußen findet man nur sehr wenig kriminelle Superhirne oder geniale Serienmörder. Überwiegend sitzen wir am Ende jemandem am Tisch gegenüber, der in vieler Hinsicht ebenfalls ein Opfer seines eigenen Verbrechens ist. Solche Menschen, die wahrscheinlich gerade ausgenüchtert sind, fragen sich verwirrt, wie zum Teufel sie in ihre Situation geraten sind.«
»Doch bestimmt nicht immer?«
»Nein ... nicht immer. Hinzu kommen Soziopathen, Vergewaltiger, Drogenhändler, Berufskriminelle, die allein zu ihrem persönlichen Vergnügen oder aus Profitgründen andere ermorden oder verstümmeln. Aber, Gabi, so werden sie nicht im Fernsehen gezeigt. Es ist der Abschaum der Gesellschaft.«
»Wahrscheinlich habe ich eine höher entwickelte Sichtweise, als du denkst, Dad. Ich lebe in der realen Welt und hole mir meine Vorstellungen nicht aus dem Fernsehen.«
»Na gut.« Fabel lächelte seine Tochter an. »Ich weiß, dass du ein kluges Mädchen bist, aber du musst unbedingt wissen, worauf du dich einlässt. Es ist eine Arbeit, die einem zu schaffen macht. Egal, für wie robust oder zäh man sich auch hält, irgendwann geht einem die Sache an die Nieren.«
»Redest du über mich oder über Maria Klee? Ich weiß, was ihr zugestoßen ist. Machst du dir deshalb Sorgen? Sag mal, Dad, und ich möchte, dass du ganz ehrlich bist ... Würdest du dieses Gespräch auch dann mit mir führen, wenn ich nicht deine Tochter, sondern dein Sohn
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