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Walküre

Walküre

Titel: Walküre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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machte sich der Instinkt des Polizisten bemerkbar.
    Es wurde bereits dunkel. Fabel warf einen Blick auf seine Uhr, und da Gabi inzwischen aus der Schule heimgekehrt sein musste, beschloss er, sie anzurufen.
    »Was gibt's, Dad?« Fabels Tochter benutzte stets das englische Wort. Alles andere hätte in ihrem Fall unecht geklungen.
    »Hast du Zeit für einen Kaffee?«
    »Was ... jetzt?«
    »Ich könnte dich gegen sechs treffen und mit dir essen gehen. Wenn deine Mutter nichts dagegen hat.«
    »Sie macht Überstunden. Ich hinterlasse ihr eine Notiz. Wie immer in den Arkaden?«
    »Wie immer. Bis dann.«
     
5.
    Fabel saß in dem Cafe, das auf die Alster hinausblickte. Mittlerweile war es so dunkel, dass er nicht mehr sehen konnte, wie die Schwäne über die winterliche Wasserfläche glitten. Stattdessen starrte sein Spiegelbild ihn an. Er sah müde aus. Und älter. Grau hatte sich in seine blonden Haare eingeschlichen, und die Falten um seine Augen vertieften sich.
    Er trank den Tee, den er bestellt hatte, und wartete auf Gabi.
    Eine Gruppe junger Frauen, fast noch Mädchen, drängte sich um den übernächsten Tisch. Studentinnen, nach ihrem Aussehen zu urteilen. Sie waren zu fünft, und sie lachten und scherzten sorglos, wie es nur junge Menschen können. Fabel wurde plötzlich neidisch auf die noch ungedämpfte Lebensfreude, die er selbst einmal gekannt hatte. Früher.
    Sein Telefon klingelte. Es war Anna Wolff.
    »Jespersens Teddybär«, sagte sie. »Er wurde in einem Geschäft im Hanse-Viertel gekauft. Ich habe mit den Angestellten gesprochen, aber Jespersen ist ihnen nicht in Erinnerung. Das hat jedoch wenig zu bedeuten, denn sie haben eine Menge Kunden, darunter viele Touristen und Ausländer. Immerhin wissen wir, dass er bar gezahlt hat. Es ist keine Kreditkartenabbuchung von ihm vorhanden.«
    »Vielleicht hat er ihn woanders gekauft«, meinte Fabel.
    »Nein ... Der Laden hatte eine Spezialanfertigung besteilt. Der Besitzer hat das Muster des Pullovers selbst ausgesucht. Niemand anders verkauft solche Bären.«
    »Das Hanse-Viertel...«, murmelte Fabel.
    »Bitte?«
    »Wahrscheinlich hat Jespersen im Hanse-Viertel Mittag gegessen. Informier dich, welche Restaurants und Cafes Überwachungskameras haben und besorg dir die Aufnahmen von der betreffenden Mittagszeit.«
    »Jawohl, Chef«, seufzte Anna. Fabel ignorierte es.
    »Was ist mit den Aufnahmen von der Reeperbahn? Haben wir schon ein Bild des falschen Taxis?«
    »Noch nicht.«
    »Drück auf die Tube, Herrgott noch mal. Es ist unser einziger Anhaltspunkt.«
    Fabel stellte sein Handy ab und sah wieder aus dem Fenster, um nach Gabi Ausschau zu halten. Er blickte erst zu den Mädchen hinüber, als sie sich von ihren Plätzen erhoben. Seine Augen trafen sich mit denen der Letzten, und ein Funke des Erkennens zuckte bei ihr auf. Sie trug ein abgewetztes schwarzes Jackett und keine Mütze; ihre blonden Haare waren nachlässig zu einem Pferdeschwanz gerafft. Fabel lächelte sie schwach an. Er wusste, dass er sie hätte erkennen müssen, doch er konnte sie nicht einordnen. Sie drehte rasch und beiläufig den Kopf, als hätte sie ihn nicht gesehen – ein Verhalten, das jeder Polizist als Bemühen durchschaut, nicht wahrgenommen zu werden.
    Erst nachdem die Mädchen in die Poststraße verschwunden waren, wurde Fabel klar, dass es sich bei der Blondine um Christa Eisel handelte, die junge Prostituierte, die den sterbenden Jake Westland hinter der Herbertstraße gefunden hatte. Etwas an der Situation deprimierte Fabel. Es war, als hätte er sie nicht erkannt, weil sie sich in einer angemessenen Umgebung aufhielt. Dort, wo sie sein sollte: zusammen mit Freundinnen ihres Alters, plaudernd und lachend. Wie viele ihrer Freundinnen ahnten etwas von ihrer zweiten Existenz? Vielleicht war das der entscheidende Punkt. Vielleicht führte jeder ein Doppelleben mit einem anderen Gesicht für einen anderen Rahmen.
    »What's up, Pops?«
    Fabel war überrascht, als Gabi sich auf dem Stuhl ihm gegenüber niederließ. Er lehnte sich über den Tisch, küsste seine Tochter, lächelte und ließ die Hand für eine Sekunde auf ihrer Wange ruhen.
    »Alles in Ordnung, Dad?« Gabis Stimme klang besorgt.
    »Mir geht es bestens, Liebling«, antwortete er. »Ich freue mich einfach so sehr, dich zu sehen. Das ist immer eine Freude ... Hab ich dir eigentlich schon mal gesagt, wie stolz ich auf dich bin?«
    »Pausenlos, Dad. Willst du mich etwa für einen großen Vortrag weich klopfen?«
    Die Kellnerin

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