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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Þráinn Bertelsson
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dieses Thema anzusprechen, hätte er es ihm übel genommen. Aber zwischen den beiden bestand ein Vertrauensverhältnis, das sich über Jahre hinweg entwickelt hatte und zu etwas geworden war, das man als Freundschaft bezeichnen konnte. Er antwortete: »Natürlich sind das Schlafmittel. Ich nehme sie nicht ständig, aber ich probiere aus, welches mir am besten hilft. Schlafstörungen sind häufig Begleiterscheinungen von Depressionen. Manchmal schlafe ich gut, aber manchmal brauche ich eben Schlaftabletten.«
    »Hm«, machte Lúðvík. »Wir sind noch nicht am Ende. Hier steht noch Viagra, über das ich schon viel gelesen habe und das ich manchmal gerne ausprobiert hätte, und dann noch etwas namens Cialis.«
    Víkingur spürte, wie sich seine Wangen röteten, ein Gefühl, das er lange nicht mehr gehabt hatte.
    »Dieses Gespräch wird ja immer merkwürdiger«, sagte er. »Und persönlicher. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass diese Informationen bei dir oder jemand anderem landen.«
    »Ich habe sie vom Justizminister«, erklärte Lúðvík. »Woher der sie hat, ist eine andere Sache, über die wir noch sprechen werden. Ich kann nichts Verwerfliches daran finden, dass du Viagra nimmst, wenn du es erquicklich findest. Ich will nur hoffen, dass das, was danach kommt, sich auch lohnt – es ist nämlich sauteuer. Und was ist Cialis?«
    »Cialis ist wie Viagra ein Medikament gegen Erektionsstörungen und hat eine ähnliche Wirkung, bleibt aber länger im Blut und ist so gesehen billiger. Eine Pille kann bis zu 24 Stunden wirken. Zu den Nebenwirkungen von Medikamenten wie Seroxat zählt häufig ein verminderter Sexualtrieb. Die sexuelle Empfindung verändert sich, sodass es schwierig oder sogar unmöglich wird, zum Erguss zu kommen. Mit Hilfe dieser Medikamente ist es möglich, vielleicht nicht auf ganz natürliche Weise, aber zumindest möglich, Sex zu haben.«
    »Diese Zeiten sind bei mir ja zum Glück schon lange vorbei«, sagte Lúðvík, »und ich bin sehr froh darüber. Aber du bist ja noch relativ jung, deshalb kann ich verstehen, dass du deinen Spaß haben willst, obwohl ich immer fand, dass Sex total überschätzt wird. Kommen wir also wieder zu den Psychopharmaka.«
    »Nein«, widersprach Víkingur. »Das tun wir nicht. Seit ich bei der Polizei bin, habe ich keinen einzigen Tag aufgrund der Depressionen, mit denen ich zu kämpfen habe, gefehlt. Das funktioniert nur deshalb, weil es Medikamente gibt, die es einem ermöglichen, ein normales Leben zu führen und ohne Ausfälle zu arbeiten. Trotz dieser Krankheit kann ich mir von jedem Psychologen bestätigen lassen, dass ich mich in seelischem Gleichgewicht befinde und ein ungetrübtes Urteilsvermögen habe, zumal die Art von Depressionen, die mich plagen, nicht als schwerwiegender angesehen werden als zum Beispiel Diabetes. Ich habe keine Ahnung, wie eine genaue Aufstellung meines Medikamentenkonsums ausgerechnet in die Hände des Justizministers fallen konnte, aber ich weiß, dass es gegen Persönlichkeitsrechte und das Recht auf eine unangetastete Privatsphäre verstößt.«
    »Das ist aber leider nicht das Wichtigste an der Sache«, warf Lúðvík ein. »Du weißt genauso gut wie ich, dass man an alles Wichtige herankommt, ganz egal, wie gut es geschützt ist. Das gilt sowohl für Informationen als auch für reale Dinge wie Geld. Sogar Landesteile oder Ölquellen kann man sich aneignen, wenn man mächtig genug ist. Da fragt auch niemand, was legal ist und was nicht.
    Es werden doch über jeden einzelnen Bürger massenweise Informationen gesammelt: über seine ökonomischen Verhältnisse, Konsumgewohnheiten, Eigenschaften und Vorlieben, und nicht zuletzt über seinen Gesundheitszustand. Es ist doch kindisch, zu glauben, dass diese Daten nur für ehrenhafte, positive Zwecke genutzt werden. Alles, was man nutzen kann, kann man auch missbrauchen. Die Akten, die die Stasi in mühevoller Kleinarbeit für fast jeden DDR-Bürger angelegt hat, sind nahezu lächerlich unvollständig und primitiv im Vergleich zu den Informationen, die heutzutage automatisch über jeden von der Geburt bis zum Tod in Computern erfasst werden.
    Seit dem Tag, an dem in unserem Land Identifikationsnummern eingeführt wurden, ist doch jegliches Gerede über den Schutz der Persönlichkeitsrechte und die Unantastbarkeit der Privatsphäre dummes Zeug. Aber noch sind nicht alle Nationen so untertänige Sklaven des Computer- und Informationszeitalters wie wir Isländer. In England gibt es

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