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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Þráinn Bertelsson
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Tür trat, hatte es angefangen zu schneien. Er musste die Autofenster mit bloßen Händen vom Schnee befreien, da der Eiskratzer, der im Seitenfach der Fahrertür hätte stecken sollen, offenbar die vorangegangene Regenperiode genutzt hatte, um spurlos in eine andere Dimension zu verschwinden.
    Bei der Ankunft in Hrútasel im Breiðholtviertel besserte sich seine Laune nicht im Geringsten. Irgendein armer Unglücksrabe hatte sich selbst angezündet und zusammen mit dem vermutlich besten Wagen der Kripo in die Luft gesprengt. Eine komplette Zusatzstreife musste gerufen werden, um mitten in der Nacht bei Dunkelheit und Schneefall nach den Körperteilen des Mannes zu suchen. Der letzten Meldung zufolge schienen inzwischen nur noch die linke Hand und ein Teil des Unterkiefers zu fehlen. Es wäre zweifelsohne von Vorteil, wenn die Polizei diese fände, bevor Schulkinder oder andere Passanten am nächsten Morgen eine unverhoffte Entdeckung machten.
    Die Verhaftung des Mannes war offenbar ein einziger Schlamassel gewesen. Ein Mann in Polizeigewahrsam sollte sich nicht selbst anzünden, geschweige denn ein ganzes Polizeiauto in die Luft jagen können. Aber das Unmögliche ließ sich wohl nie ganz ausschließen. Es war Glück im Unglück gewesen, dass der Vorfall nicht noch weitere Menschenleben gekostet hatte und dass Helgi, der sich in unmittelbarer Nähe des Mannes befunden hatte, mit einem Beinbruch davongekommen war.
    Víkingur selbst und kein anderer war für dieses Chaos verantwortlich. Es war ziemlich offensichtlich, dass die Brandstiftung im Buchverlag Altúnga auf irgendeine Weise mit dem Tod von Freyja Hilmarsdóttir zusammenhing. Oder besser: dem Mord, den er mit sträflicher Fahrlässigkeit behandelt und dessen Ermittlung er in Guðrúns Hände gelegt hatte – eine Mitarbeiterin, die trotz beträchtlicher Erfahrung in der Technischen Abteilung noch nie in ihrem Leben wirkliche Ermittlungsarbeit ausgeführt, geschweige denn sie geleitet hatte. Man konnte es gewiss als Weltrekord in leichtfertiger Amtsführung eines leitenden Polizeibeamten bezeichnen, einer Anfängerin die Aufsicht über die Ermittlung eines Falls anzuvertrauen, nur weil sich ihre Arbeit womöglich positiv auf ihre Ehe auswirken könnte. Und ein Weltrekord in dilettantischer Eheberatung, einer betrogenen Ehefrau sprachlos gegenüberzustehen und sie dann zwecks Unterstützung beim Lösen ihrer Eheprobleme mit einer Mordermittlung zu beauftragen.
    Bin ich eigentlich hirntot?, dachte er. Ist es denn nicht genug, dass mich diese verdammten Psychopharmaka emotional abstumpfen lassen und sexuell so gut wie impotent machen? Bin ich schon so dumpf und gleichgültig, dass ich nicht mehr klar denken kann? Ist es vertretbar, diesen Pillenmüll gegen die Beschwerden in sich hineinzustopfen, wenn das dazu führt, dass man wie ein Schlafwandler durchs Leben stolpert?
    Wieder einmal dachte er daran, dass es an der Zeit sei, Polizeidirektor Lúðvík aufzusuchen und ihm die Kündigung zu überreichen. Und anschließend zum Bischofsbüro zu gehen, mit seinem alten Theologieabschluss in der Tasche und einem Antrag auf Übernahme der abgelegensten Pfarrei im ganzen Land. Den Rest seines Lebens damit zu verbringen, viel zu schlafen und ein paar Bücher zu lesen. An Weihnachten und Ostern die Messe zu halten. Zwischendurch das eine oder andere Mütterchen zu beerdigen und am Ende als einziger Einwohner der Gemeinde übrig zu bleiben.
    Víkingur fand diese Vorstellung wirklich verlockend, bis auf einmal Þórhildur ungebeten in seinen Gedanken auftauchte, ihn schelmisch anschaute und den Kopf schüttelte.
    Nein, Junge, kommt nicht in Frage! Hör jetzt auf, dich zu bemitleiden, und versuch, etwas Sinnvolles zu tun.
     
    Rechtsmedizinerin Þórhildur Magnúsdóttir hatte keine Ahnung, dass sie just in diesem Augenblick in den Gedanken ihres Mannes den Kopf schüttelte. Víkingur hatte sie um fünf Uhr morgens angerufen und gebeten, aufzustehen und sich anzukleiden, um die Körperteile eines bei einer Explosion ums Leben gekommenen Mannes wieder zusammenzusetzen.
    »Warum ist das denn so dringend?«, fragte sie. »Es spielt doch keine Rolle, ob ich ihn ein paar Stunden früher oder später zusammenflicke – eine Wiederbelebung scheint mir eher unwahrscheinlich …«
    Er erklärte ihr rasch, dass die Polizei sichergehen wollte, nicht irgendein Körperteil übersehen zu haben, damit im Viertel keine Panik ausbrach.
    »Okay«, sagte sie. »Ich bin in einer

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