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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Þráinn Bertelsson
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fast die gesamte Fläche des Fernsehzimmers ein – es war eher eine Fernsehnische zwischen Wohnzimmer und Flur. Der Sony-Fernseher hatte einen 32-Zoll-Bildschirm, der einmal modern gewesen war, als es noch keine flachen Fernseher mit Breitwandbildschirmen gegeben hatte. Auf dem Fußboden neben dem Lehnstuhl lagen Abfahrtskier mit Skischuhen, die nur darauf zu warten schienen, dass sich ihr Besitzer zur Erholung vom Fernsehen daraufschwingen und losdüsen würde.
    Das Allerheiligste war offenbar das hinter dem Wohnzimmer liegende Zimmer mit der größten Alkoholsammlung, die die Anwesenden je gesehen hatten. Die Fenster des Raums waren verhängt, um Einbrecher fernzuhalten und mehr Stellplatz zu schaffen. Sämtliche Wände waren mit Regalen voller Flaschen schottischen Malt Whiskys bedeckt, achtzehn verschiedene Sorten, wobei der Sammler offenbar die Angewohnheit hatte, von jeder Sorte eine ganze Kiste zu kaufen und seiner Sammlung einzuverleiben.
    »Das finde ich viel vernünftiger, als Briefmarken zu sammeln«, stellte Terje fest. »Oder irgendeinen überflüssigen Krempel.«
    »Was hältst du denn für überflüssigen Krempel?«, fragte Marinó.
    »Alles, was nicht essbar oder trinkbar ist, mit dem du nicht tanzen und an dem du dich nicht wärmen kannst – das ist überflüssig«, antwortete Terje.
    »Wenn ich etwas sammeln würde, dann Kaffeesorten«, sagte Marinó verträumt. »Aber das wäre sinnlos; Kaffee würde mit der Zeit nur verderben.«
    »Sieh mal, er hat die Sorten sogar alphabetisch sortiert«, sagte Terje. »Ein Perfektionist.«
    Marinó, der sich nicht vorstellen konnte, mit Terje über irgendetwas einer Meinung zu sein, gab zu bedenken, dass der Besitzer die Sorten aber nicht in alphabetischer Reihenfolge getrunken hätte, denn von einigen Marken gab es bis zu elf Flaschen, während andere bereits zur Neige gingen.
    In der Küche befanden sich außer zwei Töpfen und einer Pfanne nur wenige Küchengegenstände, und der Inhalt der Besteckschublade ließ erkennen, dass es in diesem Haus weder viele Gäste gegeben hatte noch komplizierte Gerichte gekocht worden waren – es lagen nur eine Gabel, ein Messer und ein Löffel darin, außerdem ein Pfannenheber, eine Kelle, Rührlöffel und Quirl, ein Kreuzschraubenzieher und ein kleiner Schraubenschlüssel. Im Spülbecken stand ein Kristallglas, gefüllt mit kaltem Wasser. In der Mülltüte waren drei leere Flaschen verschiedener Whiskymarken sowie Verpackungen aller möglicher Tiefkühlgerichte, überwiegend Pizza.
    »Seine Frau hat ihn bestimmt schon vor vielen Monaten, wenn nicht gar Jahren verlassen«, bemerkte Karl.
    »Wie kommst du darauf?«, fragte Guðrún.
    »Nichts ist so trostlos wie die Wohnungen von Geschiedenen«, erklärte Karl. »Vor allem die von Männern. Obwohl dieser hier eine Ausnahme ist, weil er das Haus behalten hat und die Frau fast mit dem gesamten Hausrat ausgezogen ist. Normalerweise werden die Männer rausgeschmissen und hausen in irgendwelchen Dreckslöchern oder Kellern und ernähren sich von Pizza, Bier und Fernsehen, bis sie genug vom Onanieren haben und von der Natur in eine neue Beziehung getrieben werden. Die Frauen bleiben normalerweise in der gemeinsamen Wohnung oder dem Haus, mit den Wohnzimmermöbeln, den Küchengeräten, dem Staubsauger und der Waschmaschine, und haben es nett und gemütlich, bis sie bereit sind, die letzte Beziehung zu vergessen und sich wieder umzuschauen.«
    Als Guðrún diese emotionslose Beschreibung des Lebens Geschiedener zu hören bekam, lief ihr ein kalter Schauer über den Rücken. Sie sah die Überreste ihres Heims vor sich. Karl bemerkte ihren unglücklichen Gesichtsausdruck und beeilte sich zu sagen:
    »Hey, was ist denn? Das war doch nur ein Witz. Ich will damit nur sagen, dass es manchmal total trostlos ist, in die Wohnung von Geschiedenen zu kommen, und damit meine ich Frauen genauso wie Männer. Ist alles in Ordnung?«
    Am liebsten hätte sie ihn angeblafft, verkniff es sich aber. Sie brachte es nicht fertig, diesen gut aussehenden Musterknaben zu verletzen, indem sie ihn des Chauvitums und der politischen Inkorrektheit bezichtigte.
    Theódór steckte den Kopf in die Küche und sagte:
    »Er ist ständig auf Pornoseiten rumgesurft, der arme Kerl.«
    Theódór, auf den meisten Gebieten die Bescheidenheit in Person, ließ es sich nie nehmen, mit seinen Computerkenntnissen zu prahlen, die sicherlich weit über dem herkömmlichen Maß der über Siebzigjährigen lagen. Es hatte ihn

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