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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Þráinn Bertelsson
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Abdul-Rahman heiße Diener des Barmherzigen, einer der Namen für den Propheten, Friede sei mit ihm, und al-Riyadh bedeute aus dem Garten Eden.
    Ihre Ankunft war von Servicepersonal und Meisterköchen vorbereitet worden, die mit Motorschlitten auf den Berg gefahren waren und ein köstliches Mittagessen in einem weißen Zeit kredenzten. Jökulls Glück wurde nur davon überschattet, dass die ausländischen Gäste jeglichen Alkohol dankend ablehnten, sich aber ansonsten an den Speisen gütlich taten. Er beschloss daher, es ihnen gleichzutun, ließ sich lediglich auf eindringliches Bitten des Chefkochs dazu verleiten, Champagner zum Essen zu trinken, nachdem er kontrolliert hatte, dass sich in seiner Jackentasche seine Pfefferminze befanden.
     
    Das nächste Ziel war die Wiege der Demokratie. Þingvellir. Der Gründungsort des ältesten Parlaments der Welt. Jökull hielt es für angebracht, den arabischen Gästen zu zeigen, wie weit zurück in die Jahrhunderte die Wurzeln der isländischen Kultur reichten.
    »Hier wurde das älteste noch existierende Parlament der Welt gegründet«, erklärte er, als sie aus dem Hubschrauber auf den Parkplatz unterhalb des Weges stiegen, der zur Almännerschlucht führte. »Im Jahr 930!«
    »Vor oder nach Christus?«, fragte Hakim.
    »Nach Christus«, antwortete Jökull. »Vor über tausend Jahren!«
    »Unglaublich«, bemerkte Hakim. »Großartig – nach westlichen Maßstäben.«
    »Nach westlichen Maßstäben?«, fragte Jökull. »Was meinen Sie damit, Wertester?«
    »Man wundert sich manchmal darüber, wie lange die Menschheit braucht, um zu lernen«, erläuterte Hakim. »Und in welch kleinen Etappen der Fortschritt vorangeht. Seit der Niederschrift des Gesetzbuches Hammurabis in meiner Heimat vergingen fast drei Jahrtausende bis zur Gründung der ersten Gesetzesversammlung in Europa. Und dann dauerte es noch einmal tausend Jahre, bis es ein Parlament in Nordamerika gab. Das ist erst zweihundert Jahre her. Einstein hatte vermutlich Recht damit, dass die Zeit relativ ist.«
    Will der Mann mich verhöhnen?, dachte Jökull. Aber Hakim machte ein todernstes, gedankenvolles Gesicht.
    Jökull und er spazierten Seite an Seite den kurzen Weg entlang zur Brücke über den Fluss Öxará zum Ertränkungspfuhl. Das Gefolge kam hinterher. Jökull bückte sich, griff nach einer Handvoll Schnee und formte einen Schneeball, den er in die Schlucht schmiss. Der Schneeball rollte hinab und wurde immer größer. Dies weckte große Begeisterung; die Gäste aus dem Süden schienen sich königlich zu amüsieren.
    »Hat dieses Parlament gute Gesetze geschaffen?«, fragte Hakim, als sie auf der Brücke stehen blieben und sich umschauten.
    »Sie waren natürlich unterschiedlich gut«, antwortete Jökull. »Einige gelten immer noch, andere sind seit langem überholt. Aber das Althing war nicht nur eine gesetzgebende Versammlung, sondern auch ein Gerichtshof, der die Einhaltung der Gesetze überprüfte, ob sie nun gut oder schlecht waren.«
    Er zeigte seinem Gast den Pfuhl im Fluss oberhalb der Brücke. »Dies ist ein sehr spezieller Ort«, erklärte er. »Hier wurden früher Frauen getötet; sie wurden ertränkt. Dieser Pfuhl heißt Ertränkungspfuhl.«
    »Warum wurden sie denn ertränkt?«, fragte Hakim. »Was hatten sie verbrochen?«
    »Es handelte sich um Keuschheitsverbrechen«, antwortete Jökull. »Uneheliche Kinder, Ehebruch und dergleichen.«
    »Ertrinken scheint ein guter Tod zu sein«, meinte Hakim. »Ihr könnt euch glücklich schätzen, in einem Land zu leben, in dem es möglich ist, Frauen zu ertränken. Bei uns in der Wüste wäre das sehr hilfreich. Wir müssen sie steinigen.«
    »Werden in Island immer noch Frauen ertränkt?«, fragte Jamila und erschauderte, entweder vor Kälte oder bei dem Gedanken, sich an einem Hinrichtungsort zu befinden.
    »Nein«, sagte Jökull und lachte. »Noch nicht mal die sogenannten Feministinnen.«
    Er schaute in die verdutzten Gesichter von Hakim und seiner Dolmetscherin und erinnerte sich schlagartig daran, dass er im Gegensatz zu ihnen Champagner zum Essen getrunken hatte. Außerdem haben Araber vermutlich einen anderen Sinn für Humor als Skandinavier, und wenn man es genau nimmt, hat jeder Mensch seinen eigenen Humor, und meiner ist ein bisschen speziell, dachte Jökull. Er sagte: »Das war nur ein Scherz. In Island wird niemand getötet, weder Frauen noch Männer.«
    Im selben Moment erblickte Jamila die Frau und stieß einen Schrei aus. Jökull wurde

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