Walkueren
zugeben, dass ich mir manchmal ein Vergnügen daraus gemacht habe, dich zu reizen, damit du in die Gänge kommst.«
»In die Gänge? Wozu?« Víkingur fand, dass das Gespräch eine unerwartete Wendung nahm.
»Tja, um dich anzutreiben«, antwortete Randver. »Du bist immer am besten, wenn du ein bisschen in Fahrt kommst.«
»Man sollte also am besten gar nicht mehr nachdenken, sondern in Aktionismus verfallen?«, sagte Víkingur.
»Das habe ich nicht gesagt«, antwortete Randver. »Aber ich finde, du denkst in letzter Zeit furchtbar viel nach. Ich habe wirklich den Eindruck, dass du leicht depressiv bist. Deshalb hab ich dich gefragt, ob alles in Ordnung ist.«
»Wann zum Teufel ist schon alles in Ordnung in dieser Welt?«, fragte Víkingur.
»Ich hab ja auch nicht nach der Welt gefragt«, konterte Randver, »sondern nach dir.«
35
Scharf ist das Auge des Gastes
Als der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika den isländischen Ministerpräsidenten Jökull Pétursson anrief und ihn um den Gefallen bat, einen Gast in Island zu empfangen, stand es für Jökull außer Frage, auf dieses Gesuch liebenswürdig zu reagieren. Besagter Gast war ein spezieller Gesandter der irakischen Regierung, der in Washington gewesen war, um vom amerikanischen Präsidenten wichtige Instruktionen entgegenzunehmen.
Trotzdem war das Ganze im Grunde Drecksarbeit. Am liebsten hätte Jökull mit diesem Besuch nichts zu tun gehabt und den Außenminister damit betraut.
Jökull hatte sich seinerzeit voreilig von Bush überreden lassen, Island auf eine Liste der Nationen zu setzen, die bereit seien, die USA und Großbritannien beim Angriff auf den Irak zu unterstützen, um den bösen Schurken Saddam Hussein auszumerzen und zu verhindern, dass dieser aus purem Vergnügen mit Massenvernichtungswaffen um sich schmeißen und einen Weltkrieg anzetteln würde. Bush hatte ihm versichert, für die mächtigste Armee der Weltgeschichte sei es keine große Sache, einen schmutzigen Araber einen Kopf kürzer zu machen. Er benötige lediglich moralische Unterstützung und würde sich noch lange daran erinnern, welche Länder im Kampf gegen die dunklen Mächte standhaft seien. »Wer nicht für uns ist, ist gegen uns«, hatte Bush gesagt.
Seit der Gründung der Republik war die isländische Außenpolitik auf bedingungslose Anpassung an die Vereinigten Staaten ausgerichtet, denn allen fortschrittsorientierten Isländern war klar, dass ihr armes Land noch nie eine solche Milchkuh wie den amerikanischen Militärstützpunkt in Keflavík besessen hatte.
Leider ging der Kalte Krieg viel zu schnell zu Ende. Militärtechnische Fortschritte trugen dazu bei, dass Island seine strategische Bedeutung als Glied in der Verteidigungskette der USA verlor. Sparmaßnahmen und gesunder Menschenverstand, soweit dieser in militärischen Dingen vorhanden war, waren die Ursachen dafür, dass die Amerikaner durchblicken ließen, sie dächten darüber nach, die Milchkuh, den Militärstützpunkt, zu schlachten.
Jökull Pétursson begriff sofort, dass es nicht ratsam war, über die Friedensliebe der Isländer zu schwadronieren, als ihn der amerikanische Präsident endlich anrief und um moralische Unterstützung bei seinem Kreuzzug gegen Abtrünnige und Verbrecher bat.
Da der US-Präsident nun einmal in Kriegslaune war, blieb weder Zeit noch Raum, ihm zu erklären, dass es der isländischen Regierung unter formalen Gesichtspunkten gemäß einer uralten Verfassung streng untersagt sei, das Land in militärische Auseinandersetzungen zu verwickeln, wie gut und ehrenhaft deren Zweck auch sein mochte. Es war leichter, einfach ja zu sagen, und das tat Jökull. Außerdem bat er den amerikanischen Präsidenten, niemals zu vergessen, dass Island die standhafteste Nation von allen sei.
Wegen dieser Lappalie gab es beträchtlichen Ärger. Im Althing versuchte die Opposition, die Regierung in die Enge zu treiben, indem sie etwas von Verfassungswidrigkeit faselte, und sämtliche Kommunistenwichte im Land stimmten mit ein. Sogar die Medien wagten es, anzuzweifeln, ob Ministerpräsident Jökull Pétursson eigenmächtig beschließen dürfe, die Isländer zu Kriegsunterstützern zu machen. Niemand begriff, dass es sich nicht um einen Krieg, sondern um einen Kreuzzug handelte.
Tatsächlich fiel es den Amerikanern und ihren standhaften Freunden nicht schwer, Saddams Armee zu besiegen, und es dauerte nur wenige Monate, den Mann in dem Erdloch festzunehmen. Schlimmer hingegen war, dass er –
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