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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Þráinn Bertelsson
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Neues‹ und wurde – aufgrund der ausführlichen Berichterstattung über Dinge, die man bisher für Privatangelegenheiten gehalten hatte, über die man nur flüsternd und unter dem Motto »Ich darf’s eigentlich nicht weitersagen, aber du behältst es ja für dich« sprach – innerhalb kürzester Zeit zur meistdebattierten Zeitschrift des Landes. Teitur war der Meinung, das Bedürfnis nach Informationen über Landsleute sei in einer so kleinen Gesellschaft genauso groß wie das Interesse an ausländischen Königsfamilien, Popstars, Fußballikonen, Millionären und Schicksalsschlägen internationaler Prominenter. Schon seit Jahrzehnten kursierte jede Menge Klatsch über Ausländer. Teitur folgerte, dass das Volk aber auch wie ein Individuum handelt: Jedes Individuum interessiert sich in erster Linie für sich selbst. Dieser Prämisse folgte die Berichterstattung der neuen Zeitschrift. Durch den Abdruck von Informationen über sexuelle Vorlieben, Ess- oder Trinkgewohnheiten namentlich genannter Personen verursachte sie viel Wirbel. Besonderen Wert legte man darauf, Leute, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten waren, namentlich zu nennen und abzulichten.
    Allgemeinen Anklang fand die Vorgehensweise, Fotos von vermeintlichen Kinderschändern zu veröffentlichen, während ansonsten geteilte Meinungen über die unverfrorene Berichterstattung herrschten. Jeder schien Bescheid zu wissen, worüber in ›Leute und Neues‹ berichtet wurde, obwohl nur wenige zugaben, die Zeitschrift zu lesen, geschweige denn, sie zu kaufen. Das Blatt lief hervorragend, und Teitur scherte sich nicht darum, wenn die Leser sich gegenseitig in ihrer Geringschätzung der Zeitschrift übertrafen.
    Heuchelei kann eine ganze Nation erfassen, genauso wie ein Individuum, dachte er und war zufrieden mit sich und der Welt.
    An jenem Morgen kam Teitur zur Polizeiwache, um seine Anklage gegen zwei Geldeintreiber zu verfolgen: Gangsta-Gísli und Jói Brecher. Von ihnen hieß es, sie hätten jede Menge Leute malträtiert, verschuldete Junkies ebenso wie Eltern, die sich weigerten, die Finanzschulden ihrer Sprösslinge bei Drogendealern zu begleichen. Die beiden Geldeintreiber hatten sich über Teitur entrüstet, als Fotos von ihnen auf der Titelseite von ›Leute und Neues‹ erschienen waren. Sie protestierten gegen die Berichterstattung über Dinge, die sie als selbstverständliche und notwendige Dienstleistung in einer modernen Gesellschaft ansahen, indem sie die Redaktion des Abendblatts, wo auch Teiturs Zeitschrift hergestellt wurde, stürmten. Der eine Geldeintreiber machte seiner Empörung Luft, indem er Teitur an der Gurgel packte und niederriss, während der andere seine Meinung über diese Art von Journalismus dadurch kundtat, dass er dem am Boden liegenden Chefredakteur mit einem Baseballschläger den Arm brach. Teitur hatte den Vorfall bei der Polizei gemeldet, aber als die zum Tatort gekommen war, um die Aussage aufzunehmen, waren die Geldeintreiber schon längst wieder verschwunden und mit anderen dringlichen Aufgaben in der Stadt beschäftigt. Im gemeinschaftlichen Redaktionsbüro von Abendblatt und ›Leute und Neues‹ gab es ungefähr dreißig Zeugen des Vorfalls, weshalb allgemeines Unverständnis darüber herrschte, dass die Polizei die Gewalttäter nicht umgehend dingfest gemacht hatte.
    Der Polizeidirektor hatte an diesem Morgen keine Zeit, Teitur zu empfangen. Weitere Mitarbeiter, mit denen der Chefredakteur sprach, erklärten ihm, der Fall sei »in Bearbeitung«. Teitur hielt das für eine dumme Ausrede und drohte seinen Gesprächspartnern damit, eine Serie über die Unfähigkeit der Polizei zu veröffentlichen.
    Nachdem ein Oberkommissar, ein wachhabender Beamter sowie der Leiter der Parkgebühreneinnahmestelle Teitur aus ihren Büros verwiesen hatten, kam der auf die Idee, Hauptkommissar Víkingur Gunnarsson bei der Kripo einen Besuch abzustatten, denn sie kannten sich von früher.
    »Wenn man vom Teufel spricht«, sagte Víkingur, als Teiturs Kopf in seiner Bürotür auftauchte. »Bitte, komm rein und setz dich.«
    Teitur nahm das Angebot an, betrat das Büro jedoch zögerlich, denn er war es aufgrund seines Jobs nicht gewohnt, freundlich begrüßt zu werden oder willkommen zu sein.
    »Wir haben zufälligerweise gerade über deine Zeitschrift gesprochen«, sagte Víkingur. »Das ist Guðrún Sólveig Hallsdóttir von der Technischen Abteilung, und das ist Teitur Jónsson, Redakteur von ›Leute und Neues‹. Er kommt wie

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