Walkueren
Vielleicht machte sie ja auch nur ihren Job?
Nein, sie musste etwas auf dem Herzen haben, etwas, das sie ihm anvertrauen wollte. Aber vorher wollte sie sich vergewissern, dass es ungefährlich war, ihn ins Vertrauen zu ziehen.
Vielleicht wollte sie ihm ja auch gar nichts Besonderes sagen. Vielleicht hatte sie nur festgestellt, dass es an der Spitze einsam, kalt und zugig war, und wollte herausfinden, ob Zusammenarbeit auch auf gegenseitigem Vertrauen anstatt auf trockenen Dienstvorschriften aufbauen konnte.
Nein, zum Teufel, dachte er. Sie war eine toughe, moderne Karrierefrau. Sie wollte sicher nur abchecken, ob sie etwas aus ihm herausbekommen könnte, was ihr ansonsten entgangen wäre. Obwohl. Sie hatte ihm etwas sagen wollen, es aber nicht fertiggebracht.
Er griff nach dem Telefon. Es gab einen guten Anlass, sie anzurufen.
»Elín, hier ist Víkingur. Danke für das Treffen.«
»Ja, danke gleichfalls. Es war sehr nett.«
»Hör mal, ich rufe an wegen der Zeugin, dieser Bára Thomsen, die uns helfen wollte, ein Phantombild von dem Mann anzufertigen …«
»… den sie in Begleitung von Freyja Hilmarsdóttir gesehen hat?«
»Genau. Wir müssen es auf morgen verschieben. Ein Tag mehr oder weniger spielt diesbezüglich wohl keine Rolle.«
»Morgen? Super! Danke für die Info.«
Das Telefonat war anders verlaufen, als er es sich vorgestellt hatte. Elín war resolut, kurz angebunden und hatte keineswegs die Gelegenheit genutzt, ihm vielleicht doch etwas anzuvertrauen.
41
Der sensible Mann
Magnús Mínus verlor völlig die Beherrschung, als Dagný und ihr Kollege Karl auf einmal in seinem Büro standen und erklärten, sie seien von der Kripo Reykjavík, und ihn fragten, ob er eine erpresserische E-Mail bekommen habe.
Er sprang so aufgebracht vom Stuhl hoch, dass Dagný zusammenzuckte.
»Was zum Teufel geht hier eigentlich vor? Was wollt ihr?«, brüllte Magnús, und Speicheltropfen sprühten aus seinem Mund. »Ist mir jetzt auch noch die Kripo auf den Fersen? Reicht es etwa nicht, dass hier seit Jahren irgendwelche Schnüffler den Hausfrieden stören und behaupten, von der Abteilung für Wirtschaftskriminalität und vom Finanzamt und wer weiß woher zu sein, und wahrscheinlich sogar die Abflüsse überwachen, um das Klopapier, das wir benutzen, zu analysieren? Kommen demnächst auch noch der Zoll und das Sondereinsatzkommando, das Jugendamt und die Gesundheitspolizei?«
»Nein, das glaube ich nicht«, sagte Dagný trocken.
»Das ist eine eindeutige Hetzkampagne!«, brüllte Magnús weiter. »Ist euch klar, dass ihr und eure Abteilung missbraucht werdet?«
»Wir unterstellen dir doch gar nichts«, lenkte Karl ein. »Wir sind hier, um dir unsere Unterstützung anzubieten.«
»Ich brauche keine Unterstützung von irgendwelchen Behörden! Die hab ich noch nie gebraucht«, fauchte Magnús. »Und genau das kann dieser irre Ministerpräsident nicht ausstehen! Dieses Politikergesindel, das nichts anderes ist als Pöbel, der auf Staatskosten lebt. Diese Clique kann es nicht ertragen, dass in Island freies Unternehmertum aufkommt, und am allerwenigsten kann sie Menschen ausstehen, die wegen ihrer Fähigkeiten vorwärtskommen, nicht wegen ihrer Herkunft oder ihrer politischen Seilschaften. Ich brauche keine Hilfe, weder von euch noch von irgendeinem anderen Beamtenpack. Die Bevölkerung steht hinter mir, und das genügt!«
»Hast du von einem Buch mit dem Titel ›Walküren‹ gehört?«, fragte Dagný und ignorierte die Schimpftirade. Karl, der noch nicht so lange im Job war, war zusammengezuckt, als dieser prominente Unternehmer den Ministerpräsidenten als geisteskrank bezeichnet hatte.
»In den Medien wurde darüber berichtet«, fuhr Dagný fort, »dass Freyja Hilmarsdóttir ein Buch mit diesem Titel auf Grundlage von Interviews mit zwei prominenten Frauen schreiben wollte. Eine davon war jahrelang mit dir verheiratet.«
»Brynhildur«, sagte Magnús. »Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass sie gerne eine Walküre wäre.«
»Frauen können manchmal sehr verschwiegen sein«, entgegnete Dagný. »Vielleicht hast du sie ja nie danach gefragt.«
Magnús setzte sich wieder auf seinen Schreibtischstuhl und schaute Dagný spöttisch an.
»Das muss ein Alptraum sein«, sagte er.
»Was?«, fragte sie und hob eine Augenbraue.
»Eine Feministin mit Polizeiausweis«, antwortete Magnús. »Da kann man wohl nur noch beten.«
»Hast du auf irgendeine Weise versucht, die Herausgabe dieses Buches zu
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