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Walkueren

Walkueren

Titel: Walkueren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Þráinn Bertelsson
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seinen Getreuen in der Normandie und genoss einen schönen Tag. Nach dem Abendmahl plauderte man, dann beschwerte König Heinrich sich bitter über seinen alten Freund Thomas Becket, den er zum Erzbischof von Canterbury ernannt hatte. Bei Thomas hatte sich ein Sinneswandel vollzogen, und er diente nun ebenso eifrig der Kirche wie einstmals seinem alten Freund, dem König. Es war darüber zum Zerwürfnis zwischen den beiden gekommen. Als Heinrich an jenem Abend zu tief ins Glas geschaut hatte, schwang er große Reden darüber, wie undankbar und eigensinnig Thomas geworden sei. Am Ende rief er laut: Wer erlöst mich von diesem Störenfried?
    Vier Ritter nahmen sein Geschwafel ernst: Reginald Fitzurse, William de Tracey, Hugh de Morville und Richard le Breton. Sie holten ihre Waffen und machten sich in der Winternacht auf zum Ärmelkanal.
    Am 29. Dezember erreichten sie Canterbury und ermordeten Erzbischof Thomas Becket vor dem Altar des Doms. Anschließend begaben sie sich wieder nach Frankreich, um dem König die Nachricht zu überbringen.
    Diese Schandtat hatte weitreichende Folgen. Thomas Becket wurde als Märtyrer angesehen und heiliggesprochen.
    Obwohl König Heinrich beteuerte, die Tat unbeabsichtigt verursacht zu haben, musste er barfuß nach Canterbury wandern, um vom Papst Absolution zu erhalten.
    Die vier Ritter, Fitzurse, de Tracey, de Morville und le Breton, fielen in Ungnade und wurden vom Hof vertrieben. Ihre Namen sind in der Geschichte überliefert, als Warnung davor, das eigene Urteilsvermögen und Gewissen im Übereifer zu vergessen, um einem Höhergestellten zu imponieren.«
    »Ich kenne die Geschichte«, sagte Elín. »Ich hab im Kino den Film gesehen. Mit Richard Burton als Becket und Peter O’Toole als Heinrich II.«
    »Entschuldige«, entgegnete Víkingur. »Ich konnte nicht annehmen, dass du diese Geschichte kennst.«
    »Weil du glaubst, ich hätte die Untersuchung von Magnús Mínus veranlasst, um dem Ministerpräsidenten zu imponieren?«, fragte Elín. »Und du meinst also, Magnús wird dabei zum Märtyrer, ich falle in Ungnade, und Jökull verliert an Ansehen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Víkingur. »Aber ich weiß, dass die Geschichte dazu neigt, sich zu wiederholen, wenn man nicht aus ihr lernt.«
    »Ich weiß wirklich nicht, was ich dazu sagen soll«, sagte Elín. »Falls das eine Warnung sein soll, dann kommt sie ziemlich spät. Im Nachhinein hat man immer gut reden.«
    Víkingur wusste sehr wohl, dass er sich bei diesem Gespräch auf dünnem Eis bewegte. Es zählte keineswegs zu seinen Aufgaben und war nicht in seinem Interesse, der Landespolizeichefin Moralpredigten zu halten. Er überlegte, was ihn geritten hatte, Elín die Geschichte von Thomas Becket zu erzählen. Es war die Pflicht eines jeden Menschen, gegen Korruption anzukämpfen, dachte er. Das Böse begann zu wuchern, wenn die Guten nicht einschritten. Im Geiste schüttelte er über sich selbst den Kopf. Was sollte diese Frömmelei? Er hatte die Geschichte nicht erzählt, um die Ausbreitung des Bösen aufzuhalten, sondern um seinen Ärger an ihr auszulassen und sie zu demütigen, weil sie ihm nachspioniert oder andere angestachelt hatte, ihm nachzuspionieren. Obwohl? Er hatte sie auch erzählt, weil er der Meinung war, dass die Polizei den Bürgern und dem Gesetz dienen sollte, nicht den Marotten der Amtsträger.
    Elín ließ sich nicht anmerken, ob sie sich über die versteckte Kritik ärgerte. Sie hatte in aller Ruhe zu Ende gegessen und tupfte sich mit der Serviette den Mund ab.
    »Im Nachhinein hat man immer gut reden«, wiederholte sie. »Ich habe die Untersuchung der Mínus Group nicht angeordnet, um dem Ministerpräsidenten zu gefallen. Ich hatte von verschiedener Seite vernommen, dass die Führung dieser Firma gegen die AG-Gesetze und gegen die Interessen der Allgemeinheit verstößt. Magnús Mínus hat das Unternehmen von der Börse und vom Aktienmarkt genommen, kurz bevor wir zur Tat schritten. Meinen Informationen zufolge hätte man Magnús und einigen Schlüsselpersonen die Unterschlagung von sechzig Millionen Kronen nachweisen können. Ich habe die Untersuchung eingeleitet, nicht ahnend, dass sie mehr als zwei Jahre dauern und die Erledigung von Pflichtaufgaben bei der Landespolizeibehörde größtenteils lähmen würde. Ich mache, so wie andere auch, keinen Hehl daraus, dass sich Magnús Mínus und der Ministerpräsident überworfen haben. Deshalb gehe ich davon aus, dass Jökull Pétursson meine

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