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Wall Street Blues

Wall Street Blues

Titel: Wall Street Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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an das Glas der geschlossenen Tür und zwang sich zu einem Lächeln. Er sollte nicht sehen, wie wütend sie war, wenn er sich umdrehte. Er hielt es nicht einmal für nötig, sich umzudrehen. Das war wirklich lächerlich.
    »Barry«, sagte sie und klopfte kräftiger.
    Das war zuviel. Sie stieß die Tür ein wenig auf, und endlich drehte er sich zu ihr um. Nur daß er seltsam zusammensackte, als er sich bewegte und nach unten rutschte in der Zelle, die zu eng war, um ihn zu halten, so daß er die Tür aufdrückte. Sie trat unwillkürlich zurück und schnappte nach Luft, als Barry Stark seitlich auf den Boden sackte. Erschrocken versuchte sie auszuweichen und stolperte dabei über den Diplomatenkoffer, der mit einem lauten Knall auf den Boden schlug. Barrys Kopf kam auf ihre Füße zu liegen, die dunkle Brille lächerlich verrutscht.
    Erstarrt beobachtete sie den Blutfaden, der aus dem Mundwinkel lief. Reiß dich zusammen, dachte sie. Er ist ohnmächtig geworden oder hat einen Anfall gehabt. Sie bückte sich und berührte seine Schulter. »Barry...« sagte sie. Und dann sah sie seine Augen, das lädierte geschlossen, das andere leer starrend. Sein • Gesicht war seltsam verzogen, der Unterkiefer aus Angst oder heftigem Schmerz krampfhaft verzerrt.
    Während sie ihn anstarrte, sah sie den kleinen Griff des Messers, vor Blut kaum zu erkennen, der aus seiner Brust ragte. Sie hatte so etwas noch nie gesehen, aber sie wußte Bescheid. Barry war tot.

M ein Gott, mein Gott«, murmelte Wetzon und wich zurück. Ihr Fuß stieß an den Diplomatenkoffer, und ohne nachzudenken, hob sie ihn auf. Überall war Blut, auf Barry, auf dem Boden.
    Ein paar Schritte von der Telefonzelle entfernt war der Garderobenraum. Es war kein Betrieb, weil der Tag so mild gewesen war. Sie schob sich durch die Tür und ging so ruhig sie konnte zur Garderobe.
    »J. P.«, sagte sie zu dem jungen Mann hinter der Theke. Ihr Gesicht schien ihr wie erstarrt. »In der Telefonzelle liegt ein Verletzter. Schnell, holen Sie Martin, bitte.«
    Mit der unerschütterlichen Selbstsicherheit, die mit dazu beitrug, daß er so ein guter Oberkellner war, nahm Martin sofort die Sache in die Hand. J. P. wurde mit einem Auftrag nach oben geschickt, den Wetzon nicht hören konnte, weil Martins Stimme im Geplapper und Hin und Her der Gäste unterging. Zuerst war Wetzon sich sehr vernünftig vorgekommen, aber jetzt wurde ihr die Ungeheuerlichkeit dessen, was geschehen war, bewußt. Alles hörte sich jetzt an, als käme es vom Ende eines langen Tunnels. Anscheinend vergessen, sank sie dankbar in einen der Korbsessel, die den Lobbybereich zierten.
    Es war kaum zu glauben, daß ein sehr lebendiger Barry Stark vor weniger als einer Stunde bei ihr gesessen hatte, mit seiner ganzen Verrückheit und dennoch wirklich, ein Barry aus Fleisch und Blut — Blut — , aus Fleisch und Blut und atmend, der ihr unbedingt seine Geschichte erzählen wollte. Seine Geschichte.
    Ihre Augen waren blind auf den Diplomatenkoffer gerichtet, der mitten in der Lobby stand, zwischen ihr und den Telefonzellen, wo Martin jetzt mit dem Rücken zu ihr stand.
    So etwas wie ein Sicherheitsposten tauchte aus dem Nichts auf, sehr amtlich aussehend, sehr stämmig, mit kurzgeschnittenem Haar, pockennarbiger Haut und groben Zügen. Ire, berstende Muskeln in einem dunkelblauen Anzug. Er und Martin sprachen kurz miteinander, dann hob Martin den Diplomatenkoffer auf und kam auf sie zu. Er reichte ihr mit einem mitfühlenden und besorgten Ausdruck die Hand und half ihr auf die Beine. Er hakte sie unter, führte sie die wenigen Schritte zur Treppe und dann hinauf, und bald darauf saß sie an einem Ecktisch auf dem Balkon über dem überfüllten Grillroom. Jemand, sie merkte nicht, wer, stellte einen Drink vor sie. Sie sah nicht auf.
    »Leslie, bitte...« Es war Martin, der sehr freundlich sprach. »Trinken Sie davon einen Schluck. Das hilft. Ich verspreche es.« Sie sah ihn fragend an. »Das ist in Ordnung, es ist Wodka.« Wie immer wußte er goldrichtig, was er zu tun hatte. »Wir haben das Restaurant geschlossen und sagen jetzt etwas über einen Unfall an«, fuhr er fort. »Wir werden wohl leider alle hier festhalten müssen, bis die Polizei eintrifft.«
    Wie auf ein Stichwort begann Tom Margittai gemeinsam mit Paul Kovi, Besitzer des Four Seasons, zu sprechen und bat um Ruhe. Zunächst achtete niemand auf ihn, aber in diesem Augenblick erschienen mehrere Männer in blauen Uniformen auf der Treppe, gefolgt von einigen

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