Wall Street Blues
anderen in Zivil.
»Verehrte Damen und Herren«, wiederholte Margittai, »ich muß Sie leider bitten, an Ihren Plätzen zu bleiben. Wir hatten unten einen Unfall, und die Polizei wird Ihnen einige Fragen stellen wollen. Wir bedauern sehr die Unannehmlichkeiten, die wir Ihnen damit zumuten, und wir übernehmen alle ausstehenden Rechnungen auf das Haus. Die Bar bleibt offen für alkoholfreie Getränke, bis Sie das Haus verlassen dürfen.«
Rufe wurden laut. »Was ist passiert?... Ich komme zu spät zum... Ich muß telefonieren... Was ist mit Lucy, sie will mich hier treffen...«
Die Proteste wurden lauter. Viele standen an ihren Tischen auf, hatten vielleicht vor, trotzdem aufzubrechen. Die Kellner hielten sich alle in der Nähe des Oberkellners auf und warteten auf ein Zeichen von Martin.
»Meine Damen und Herren«, sagte ein dunkler, untersetzter Mann in einem zerknitterten Anzug, gerade so laut, daß man ihn über dem Stimmengewirr hören konnte. »Wir haben nicht vor, Sie länger als unbedingt notwendig festzuhalten, helfen Sie also bitte mit.«
Wetzon bemerkte zwei uniformierte Polizisten, die den Eingang zu dem Korridor bewachten, der zum Poolroom, dem eleganteren Speiseraum, führte.
»Bitte nehmen Sie alle Platz«, sagte Mr. Margittai. Er sprach leise mit dem Mann im zerknitterten Anzug, dann fügte er hinzu. »Unsere Kellner bedienen Sie gern mit alkoholfreien Getränken und kleinen Gerichten.«
»Ich bin Sergeant Silvestri, und ich gehöre zum 17. Revier«, sagte der Mann im zerknitterten Anzug, indem er nach vorn kam. »Meine Leute werden jetzt Ihre Namen und Adressen aufnehmen und Sie bitten, irgendein Ausweispapier vorzulegen. Wenn diese überprüft sind, werden wir Sie nicht weiter aufhalten, aber möglicherweise werden wir später noch einmal mit Ihnen Verbindung aufnehmen. Wir werden versuchen, Sie sowenig wie möglich zu belästigen«, schloß er und sah sich in der unruhigen Menge um.
»Was ist passiert?« rief eine Frau. »Wollen Sie uns nicht wenigstens sagen, worum es hier geht?« Wieder wurden Stimmen laut, die zunehmend gereizt klangen, als weitere Detectives in ihrer saloppen Straßenkleidung in den Grillroom und den Barbereich ausschwärmten. Sie stachen von den teuer gekleideten Stammgästen ab.
»Ein Mord. Es ist jemand ermordet worden«, sagte Silvestri, und wieder drohten Proteste seine Stimme zu übertönen. Er lehnte am Podium des Oberkellners und wartete geduldig, während er über die Tische blickte, bis sich der Lärm legte.
Ein Mord, dachte Wetzon. Barry war »ein Mord« geworden. Und sie war wütend gewesen, weil er sie allein gelassen hatte und nicht zurückgekommen war. Er war egozentrisch und vielleicht kein guter Makler, und wahrscheinlich war er nicht sehr ehrlich, verkaufte den Leuten zweifellos Dinge, die sie nicht brauchten, und er könnte sogar ein Drogenhändler gewesen sein, wie Smith behauptete, aber er hatte es nicht verdient zu sterben, und gewiß nicht so. Ihre Hand zitterte. Sie umklammerte die Tischkante, um sich zu beruhigen, die Finger weiß gegen das glänzende dunkle Holz. Dann sah sie den Drink, den sie vergessen hatte, und nahm einen kräftigen Schluck aus dem kleinen Schnapsglas. Stolichnaya. Ihr Wohl, Martin. Sie fühlte die brennende Wärme wie einen Schock, und dann entspannte sie sich, schloß die Augen und wartete. Sie würden irgendwann zu ihr kommen, aber sie wußte instinktiv, daß sie eine Weile hierbleiben würde. Sie schlug die Augen wieder auf. Auf dem Stuhl neben ihr stand der Diplomatenkoffer. Barrys Diplomatenkoffer. Sie versuchte, sich zu erinnern, was Barry gesagt hatte. Sie fühlte sich wie betäubt, und konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Sie sah den Detectives zu, wie sie sich durch die Menge um die Bar arbeiteten, und bald war dieser Bereich leer und still. Die Geräuschkulisse vom Grillroom wurde gedämpfter, und zwei Polizisten kamen auf den Balkon herauf, jedoch nicht zu Wetzon. Ihre Lider wurden schwer. Sie hatte Mühe, sich wachzuhalten. Ein Mann kam und setzte sich auf den Stuhl auf der anderen Seite des Tischs. Sie starrte ihn an. Es war der Detective, der sich gerade als Sergeant Silvestri vorgestellt hatte. Sie trank noch einen Schluck.
»Geht es Ihnen gut, Miss Wetzon?« fragte er höflich. Sie nickte. Er hatte ein freundliches Gesicht, dunkles Haar, das sich über einer hohen Stirn lichtete. »Gut, dann möchte ich, daß Sie genau nachdenken und mir alles erzählen, was hier passiert ist. Sie fanden die
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