Wall Street Blues
wissen.
»Der war noch schlimmer als Barry, falls das möglich ist. Dieses dumme Mädchen rief Mildred wegen einer Autobiographie an, die er geschrieben haben sollte, deshalb dachten wir, sie hätte die Bänder und wollte uns dafür bezahlen lassen. Er überraschte mich, als ich ihre Wohnung durchsuchte und schaltete sich ein.« Indem sie wieder die Spitzen ihrer Zähne sehen ließ, fügte sie heiter hinzu: »Also schaltete ich ihn aus.« Sie betrachtete Wetzon einen Augenblick und machte dann einen kleinen Schritt auf sie zu.
»Roberta, ich habe die Bänder gefunden. Ich gebe sie Ihnen«, sagte Wetzon, indem sie zu der Tür zum hinteren Zimmer zurückwich.
Roberta klappte das Messer mit einer merkwürdig sinnlichen Bewegung langsam auf. »Sie haben die Bänder?« Sie hielt inne. »Wo sind sie?«
»Nicht hier. Ich muß sie holen.«
»Sie sind die einzige, die über mich Bescheid weiß. Ich brauche die Bänder nicht.«
»Ich bin nicht die einzige. Jake Donahue und Leon, sein Anwalt, wissen es.« Und Silvestri weiß es, aber er kommt nicht.
»Sie werden nie reden.«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen. Leon ist schließlich beim Gericht zugelassen.«
»Aber wenn ich die Bänder habe, werden sie nie reden. Dann haben sie Angst.«
»Das stimmt.« Wetzon lehnte sich an die Tür zum hinteren Büro. Roberta war wahnsinnig. Sie hatte Angst, Roberta oder das Messer aus den Augen zu lassen. Angst, sich zu bewegen. Oh, Silvestri...
»Er kommt nicht«, sagte Roberta, als unterhielten sie sich bei einer Tasse Tee. »Ich habe ihn nicht angerufen.« Sie ließ ihre Zähne sehen und kam näher.
Wetzon drückte sich gegen die Tür. Ihre Hand berührte den Griff. Sie war bereit, sich hineinzuwerfen. Ihr Kopf arbeitete fieberhaft. Wenn sie nur die Toilette erreichen könnte, dann könnte sie die Tür abschließen und warten, bis sie gerettet würde.
Aber sie hatte Jake Donahue vergessen. Die Tür flog auf, und sie taumelte rückwärts ins Zimmer. Donahue fing sie auf und stieß sie grob zur Seite. Sie fiel gegen ihren Schreibtisch. Das Entsetzen schlug wie eine Flutwelle über ihr zusammen. Jake konnte sie nicht retten. Er konnte sich selbst nicht retten. Sie würden beide sterben.
»Roberta, verdammt noch mal, sind Sie übergeschnappt? Was haben Sie denn?« Jake machte eine ruckhafte Bewegung, als wollte er sie packen.
Die Überraschung in Robertas Gesicht wich schnell der Wut. Ihre listigen Augen verschwanden fast in den Höhlen. »Das würde ich an Ihrer Stelle nicht sagen.« Ihre Stimme drohte, aber sie wich zurück. »Fassen Sie mich nicht an.«
Dieser Idiot, dachte Wetzon plötzlich. Er packte sie völlig falsch an.
»Roberta, beruhigen Sie sich.« Jake stand reglos da. »Erzählen Sie dem alten Jake einfach, worum es eigentlich geht.« Die Unaufrichtigkeit in seinem Ton war beleidigend und herablassend.
Du Vollidiot, hätte ihn Wetzon am liebsten angeschrien. Er unterschätzte Roberta gewaltig. Er würde sie noch wütender machen.
»Sie machen mir nichts vor, Sie Mistkerl.« Roberta verzog verächtlich die schmalen Lippen. »Sie haben sich hier versteckt und gelauscht.«
Sie gestikulierte mit dem Messer, als wäre es ein Teil ihrer Hand. Die Klinge blitzte im Neonlicht auf. »Ihr seid alle gleich. Erst Mildred, jetzt Sie. Versprechungen. Ich kümmere mich um dich, Bobbie...« imitierte sie ziemlich echt Mildreds krächzende Stimme.
Wetzons Hände begannen zu zittern. Sie konnte nicht schlucken. Ein strammes Band schloß sich um ihre Brust; das Zimmer begann sich zu drehen.
Dann schrie Roberta — einen langen, wütenden Schrei — und stürzte auf Jake zu, der auswich. Wetzon riß den Kopf hoch. Nein, sie durfte jetzt nicht zusammenklappen. Sie machte einen Schritt vor. Tu so, als wäre sie einfach ein aufgebrachter Makler, dachte sie verzweifelt. Tu so, als wäre sie gerade von Shearson gefeuert worden und...
»Roberta, reden Sie mit mir, bitte«, flehte Wetzon. »Ich habe Ihnen nichts versprochen. Ich kenne Sie nicht einmal.«
Roberta war einen Moment abgelenkt. Ihr Blick huschte zu Wetzon. »Sie haben mich gesehen«, sagte sie. »Sie sind immer wieder aufgetaucht. Ich konnte Sie nicht abschütteln. Sie werden mich verraten.«
»Sie Verrückte...« Jakes Gesicht lief dunkelrot an.
Wetzon fiel ihm ins Wort. Er verdarb alles. »Ich werde niemand was erzählen, Roberta.« Wetzon befand sich auf vertrautem Gelände. Sie war schon mit anderen Verrückten fertiggeworden. Wenn nur Jake den Mund halten
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