Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wall Street Blues

Wall Street Blues

Titel: Wall Street Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
Vom Netzwerk:
sie dachte, er werde sie schlagen.
    »Miss Wetzon.« Donahue lehnte an Smith’ Schreibtisch und hielt ihrem vorsichtigen Blick stand. »Ich habe einige miese Sachen in meinem Leben gemacht, aber ich bin kein Mörder, und ich werde Ihnen nicht weh tun. Wenn Sie mir etwas Zeit ließen und mich besser kennenlernten, würden Sie mich vielleicht sogar mögen.«
    »Sicher. Sie mögen ein Gauner sein, aber Sie sind kein Killer.«
    Seine blauen Augen sahen sie vorwurfsvoll an, und sie hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen. War sie zu grob zu ihm gewesen? Was zum Teufel stimmt eigentlich bei dir nicht? dachte sie. Was für ein Seelchen sie war. Vielleicht hatte Smith recht. Sie war zu naiv für diese Branche.
    »Was wollen Sie von mir, Jake?«
    »Ich möchte, daß Sie der Polizei nichts von den Bändern, dem Schlüssel, dem Geld erzählen. Ich brauche Zeit, um die übrigen Bänder zu finden.«
    »Um was mit ihnen zu machen, wenn Sie sie finden?«
    Er grinste sie an, mit einemmal ganz irischer Charme. »Um zu tun, wozu Nixon nicht den Mumm hatte.«

G egen ihren Willen lachte sie. »Das ist ein verrücktes Gespräch, das wir da führen, Jake Donahue.«
    »Leslie Wetzon«, sagte Jake Donahue und neigte sich zu hinunter. »Sie gefallen mir.«
    Das durchdringende Surren einer Türklingel unterbrach ihr Zwiegespräch. Obwohl sie Roberta und Silvestri erwartet hatte, fuhr Wetzon buchstäblich auf.
    »Lieber Himmel.« Donahue stand still, hellwach. »Wer zum Teufel...«
    »Ich habe Ihnen gesagt, daß ich verabredet bin.« Ihr war nicht wohl in ihrer Haut. Vielleicht wider bessere Einsicht glaubte sie Jakes Behauptung halb, er sei kein Mörder. Wenn nicht er, wer von den handelnden Personen, die ihr begegnet waren, war es dann? Wann immer sie die Fingerspitzen auf die Lösung legte, schmolz sie dahin wie Eiscreme. »Jake, ich habe nicht, was Sie suchen, ich weiß nicht, wo es ist, und selbst wenn ich...«
    Die Türklingel läutete wieder. Ungeduldig zweimal.
    Es gab keinen Weg durch den Garten, auf dem sie Jake hätte fortschicken können. Was sollte sie tun?
    Gleichsam als Antwort auf ihre stumme Frage sagte er grob: »Schaffen Sie ihn sich vom Hals, wer immer es ist.« Er stand auf, eine fleischige Masse, neben der sie zum Zwerg wurde.
    »Verdammt. Warten Sie hier.« Wenigstens war sie dann nicht mehr mit ihm allein. Was konnte er tun, wenn Roberta und Silvestri hier waren? Silvestri. Lieber Gott. Es wäre furchtbar, wenn Silvestri Jake Donahue bei ihr fände, nachdem sie ihm gesagt hatte, daß sie den Mann nicht kannte.
    Wetzon ging ins vordere Büro und zog die Tür fest hinter sich zu. Die Klingel läutete mehrere Male, und jemand rüttelte ungeduldig an der Tür.
    »Wer ist da?« rief Wetzon. Sie ließ die Kette im Schloß und spähte in das dämmrige Zwielicht. Eine große schlanke Frau in einem dunklen, fest gegürteten Mantel stand in dem engen Vorraum. Es mußte Roberta sein.
    Wetzon schob das Kettenschloß auf. Die Frau, die durch die Tür ins helle Licht des Büros trat, war die Frau mit dem außergewöhnlichen Haar, die Wetzon im Four Seasons gesehen hatte. Die Frau, deren Bild Wetzon für Silvestri herausgesucht hatte, die Frau, deren Namen sie Silvestri nicht sagen konnte. Kein Wunder, daß es ihm seltsam erschienen war. Er wußte, daß sie Roberta am Tag davor kennengelernt hatte. Aber er wußte nicht, daß es Roberta mit einem Turban, der den Kopf bedeckte, und unter dem Vorwand von Kopfschmerzen gelungen war, nicht erkannt zu werden. Kein Wunder, daß Silvestri den Schluß gezogen hatte, daß Wetzon entweder bekloppt war oder etwas verheimlichte. Ihre erste Reaktion war Bestürzung, die aber rasch von Angst verdrängt wurde.
    »Sie sind...«
    »Roberta Bancroft.« Die Frau reichte Wetzon eine lange, schmale Hand. Das wunderschöne kupferfarbene Haar war füllig und glatt, ein Pagenschnitt mit perfekter Innenrolle. Sie brachte den unverwechselbaren Duft von Maiglöckchen mit herein.
    Wetzon nahm Robertas Hand, konnte aber nicht die Augen von der Frau lösen. Sie war das Äußerste an Schick in ihrem schwarzen Ledertrenchcoat. Ein bedruckter Schal von Hermes war locker um den Hals gebunden, als habe sie ihn gerade vom Kopf geschoben. Vor Wetzons innerem Auge erschien ein flüchtiges Bild von einer Frau im schwarzen Ledertrenchcoat mit unter dem Kinn gebundenem Schal, die in der Second Avenue direkt hinter Wetzon aus dem Taxi stieg — einen Tag nach Barrys Tod und unmittelbar bevor Wetzon auf die Straße gestoßen

Weitere Kostenlose Bücher