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Wall Street Blues

Wall Street Blues

Titel: Wall Street Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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mit der Sitzfläche ihrer Jeans hinter sich zu.
    »Ganz dort hinten.« Die Blondine zeigte über ein gedrängtes Durcheinander von Schreibtischen. Es sah in jeder Hinsicht nach einem Gefängnisfilm aus den dreißiger Jahren aus, die langen Reihen von Kantinentischen und die vielen Reihen von Männern, die sich zusammendrängten und alle in andere Richtungen bewegten. Doch das hier war die Wall-Street-Version, deshalb befanden sich ein paar Frauen darunter, und auf den Tischen waren die Quotron-Geräte und Loseblatt-»Bücher« die Kundenkarteien der Makler. Jeder pries Produkte an, und der Lärm war ohrenbetäubend. Hier, in Jake Donahues Fall, waren ihre Neuemissionen das Produkt. Donahue brachte Gesellschaften zu einem fast alarmierenden Emissionspreis auf den Markt, und die Nachfrage nach diesen Neuemissionen war so groß, daß Donahue & Co. keine Pakete an die anderen Wertpapierhäuser zu geben brauchte. Sie behielten alles im Haus, teilten es unter ihren speziellen Kunden, und der fünfzigprozentige Anteil des Maklers an den Bruttoprovisionen war ein außergewöhnlich attraktives Lockmittel für Stellensuchende. Außerdem, wußte Wetzon, hatte Donahue vorab dicke Schecks ausgestellt, um die besten, die heißesten Verkäufer der Wall Street zu bekommen.
    Kaffeebecher aus Pappe, zerknüllte Papiertüten, angebissene Brötchen, die vermutlich vom Frühstück übrig waren, Sandwiches, Coladosen und Behälter für chinesisches Essen lagen mitten in dem Chaos auf den Tischen. In der Luft hing eine einzige dicke Wolke aus Zigarettenrauch, und der Geruch im Raum war eine schale Mischung aus Schweiß, Parfüm, Zigaretten, gedünstetem Reis und — »Gier«, sagte sie, »vergiß nicht den gemeinsamen Nenner.« Sie hatte es laut und deutlich gesagt, aber bei diesem Krach hörte es niemand.
    Das war es also, weshalb Barry bei Merrill gekündigt hatte. Das und über zweihunderttausend Dollar.
    Die Makler waren unterschiedlich gekleidet, von Jeans und T-Shirts zu Kostümen, die so ähnlich wie ihres waren, aber letztere waren eindeutig in der Minderheit. Sie konnte nicht zwischen den Frauen unterscheiden, von denen einige Börsenmaklerinnen und einige Verkaufsassistentinnen waren. Wetzon schaute sich um und entschied, daß diejenigen, die wie teure Callgirls aussahen, die Maklerinnen sein mußten. Ihr Verhalten am Telefon und ihr sonstiges Gebaren drückten einen elektrisierenden Sinn für Macht aus. Das Durchschnittsalter in dem Raum konnte nicht mehr als fünfundzwanzig sein. Und bei einer schnellen Zählung kam sie auf mehr als siebzig Personen, die in diesen kleinen Raum gezwängt waren.
    Wetzon mußte zugeben, daß es etwas Aufregendes an sich hatte, so schäbig es erschien, die Aufregung des Geldscheffelns.
    Makler schrieben, den Telefonhörer zwischen Ohr und Schulter geklemmt, Beleg auf Beleg aus, als sie vorbeiging, und verständigten sich untereinander, in dem sie hin und her schrien.
    »Zehn Mille, klar, mehr Spielraum.«
    »Hören Sie, ich will versuchen, mehr für Sie zu bekommen, aber ich kann nichts versprechen. Jeder will einsteigen.«
    »Zwei Punkte höher heute. Morgen mehr. Ja. Gut, Sie könnten fünf verkaufen, die Gewinne mitnehmen und den Rest behalten, bis der Sturm überstanden ist.«
    »Mit der werden wir alle reich!«
    Wetzon wußte, daß fünf nicht fünf Stück und vermutlich auch nicht fünfhundert Stück bedeutete. Die großen Spieler wurden von dem Markt mit neuen Emissionen angezogen. Sie mochten ein reguläres Konto bei Merrill Lynch oder Shearson für ihre Kassageschäfte haben — ihr Cashmanagement-Konto — , aber wenn sie Nervenkitzel suchten, kamen sie zu Donahue.
    Barrys Büro hatte keine Tür, aber es war ein Büro mit Fenster und genauso mit Papieren, Büchern und weggeworfenen Fastfood-Behältern übersät wie der Raum, aus dem sie gerade kam. Barry war in Hemdsärmeln, Jackett über der Stuhllehne, Füße auf dem Schreibtisch, und rauchte eine Zigarre. Das schmutzige Fenster hinter ihm gab den Blick auf ein weiteres schmutziges Fenster frei. Offenbar rechtfertigte seine Tätigkeit keinen malerischen Blick auf Hanover Square. Das war immer noch Wall Street, der alte Wall-Street-Bereich war ein Gewirr aus engen Straßen und hohen, alten Gebäuden, die den Schmutz von Generationen trugen. Firmen wie Jacob Donahue überließen die vornehmen Fassaden und eleganten Interieurs den großen Firmen. Hier lief alles auf Dollar und Cent oder besser auf Dollar und Köpfchen hinaus. Drücke die

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