Wall Street Blues
Wetzon zu. »Nicht schlecht, was? Himmelweit entfernt von Mutter Merrill, die mir nicht einmal auf die Schultern klopfte, wenn ich mehr Konten eröffnet hatte als jeder andere in Groß-New York.«
»Großzügig von Jake, so zu teilen«, stimmte Wetzon zu.
»Er kann es sich leisten«, sagte Barry dankbar. »Wir machen einen Haufen Geld für den Knaben. Wo wäre er ohne uns? Wenigstens das ist ihm klar.«
Als sie sich durch den Raum kämpften, in dem alle außer Rand und Band waren, kamen sie an der attraktiven kleinen Assistentin in den engen Jeans vorbei, die Wetzon vorher den Weg gezeigt hatte. Sie wackelte zur Musik mit fliegenden Haaren und hüpfenden Brüsten. Barry ließ seine Hand über ihr kompaktes Hinterteil gleiten, und sie grinste ihn an.
»Ein süßer Käfer«, bemerkte Wetzon, die in Barrys Schlepptau ging. »Macht ihr sicher Mordsspaß, für euch verrückte Makler zu arbeiten.«
»Wer, Margie?« sagte Barry über die Schulter. »Du machst wohl Witze. Margie ist keine Assistentin, sie ist Maklerin.«
Wetzon hatte ihre Überraschung nicht verbergen können. »Ich kann’s nicht glauben.«
»Ja, eine von den besten Kräften im Büro. Letzte Woche kam sie brutto auf mehr als fünfzig Mille, und das heißt, sie bekam ungefähr fünfundzwanzig auf die Hand.«
»Ich glaube, ich bin in der falschen Branche«, hatte Wetzon verblüfft gesagt.
E rzählen Sie von sich«, sagte Silvestri barsch.
Wetzon schrak aus, ihren Gedanken auf und fröstelte. Er war wieder da, wo er vorher gesessen hatte, ihr gegenüber, das Notizbuch gezückt. Sie fragte sich, wie lange er sie schon beobachtet hatte.
»Was genau möchten Sie wissen?« fragte sie verwirrt. Sie war sehr müde.
»Wer sind Sie?« Er hatte ein nettes Lächeln und schöne weiße Zähne. Er raucht nicht, dachte sie. Wie angenehm, daß er nicht raucht.
»Ich bin Leslie Wetzon, ich bin fünfunddreißig Jahre alt, ich bin auf einer Farm im Süden Jerseys aufgewachsen und nach New York gekommen, um Tänzerin zu werden.« Sie blickte wieder in türkise Augen.
»Und jetzt?«
»Ich mache Unternehmensberatung.«
Er konnte anscheinend nichts damit anfangen. »Was bedeutet das?«
»Ich bin Headhunter.« Sie griff in ihre Handtasche und reichte ihm ihre Karte.
»Headhunter«, sagte er, betrachtete eingehend die Karte und steckte sie in sein Notizbuch.
»Headhunter. Ich arbeite in der Finanzgemeinde, zusammen mit einer Partnerin. Wir sprechen Börsenmakler und Führungskräfte an und überreden sie, sich nach besseren Posten bei anderen Firmen umzusehen. Sie könnten mich als Kupplerin bezeichnen...«
»Und wer bezahlt Sie? Der Makler?« Die Augen wurden wieder nichtssagend.
»Nein, die Firmen, die sie einstellen, unsere Auftraggeber, wenn wir sie vorstellen.«
»Ziemlich weit entfernt vom Tanzen. Sind Sie gut darin?«
»Tanz oder Kopfjagd?« fragte sie und spürte dabei einen kleinen Stoß, so etwas wie Anziehung, einen winzigen aufregenden Schwindel, den sie seit langem nicht mehr gespürt hatte. Wie komisch. Er war so ein unwahrscheinlicher Kandidat. Kandidat. Gott, sogar für sich selbst verwendete sie die Sprache des Geschäfts.
»Beides«, sagte er mit einem verschmitzten Lächeln. Ein Blitz Türkis.
»Ja... zu beidem.« Sie fühlte sich wie ausgepumpt.
»Sie haben mir erzählt, daß Sie Barry Stark nur dreimal getroffen haben«, sagte Silvestri und notierte etwas.
»Ja... heute mitgezählt. Das erste Mal war auch hier im Four Seasons.«
»Führen Sie Ihre Besprechungen normalerweise an solchen Orten?«
»Er hat Prestige. Reichtum. Macht. Makler fühlen sich davon angesprochen. Jemand, der sich vielleicht nicht gern in einem Büro trifft, wird ins Four Seasons kommen, und das persönliche Kennenlernen ist sehr wichtig.« Sie brach ab. Sie hatte auf der Zunge gehabt, daß ihr der Makler nach einer persönlichen Begegnung >gehörte<, aber es klang nicht richtig, und es war nicht unbedingt wahr. »Eine persönliche Begegnung«, fuhr sie fort, »festigt die Beziehung. Ich hatte mit Barry schon Monate vorher über Telefon Kontakt gehalten.«
»Wie sind Sie überhaupt an ihn geraten?«
Wetzon spitzte die Lippen und schloß nachdenklich die Augen. Wie war sie ursprünglich auf ihn gestoßen? Ach, ja. »Georgie Travers gab mir seinen Namen. Sein Freund Georgie, der mit ihm bei Merrill arbeitete.«
»Georgie Travers? T-R-A-V-E-R-S?« Silvestri notierte es.
»Aber Georgie ist nicht mehr bei Merrill. Ihm gehört das Caravanserie. Wissen Sie, die
Weitere Kostenlose Bücher