Wall Street Blues
eine Feuerleiter an diesem Gebäude?«
»Nein.«
»Einen Hinterausgang?«
»Ja. Hier lang.«
Er öffnete die Hintertür. Alles in Ordnung. Er schloß sie und drehte den Riegel um. »Dann sage ich gute Nacht.« Sie ließ ihn hinaus und schloß die Tür zweimal ab. Daran gelehnt kickte sie ihre Schuhe fort.
»Mann oh Mann, was für eine Nacht!« Sie warf einen Blick auf die Armbanduhr. Es dauerte eine Weile, bis sie die Zeiger erkennen konnte. Drei Uhr dreißig.
Sie ließ Jacke und Handtasche auf das Bett fallen und ging über den Flur ins Bad. Sie knipste das Licht an und entdeckte eine scheußliche schwarze Wasserwanze mitten auf dem Boden.
»Oh, nein!« schrie sie. »Das ist zuviel.« Sie mußte sie tottreten, weil sie den Gedanken nicht ertragen konnte, daß eine lebendige Wanze irgendwo durch ihre Wohnung krabbelte.
Dafür, daß sie so angeschlagen war, bewegte sie sich flink und trat mit dem bestrumpften Fuß auf das eklige Tier. Sie spürte entsetzt, wie es sich unter ihrem Fußballen krümmte, aber sie drückte so lange, bis sie die kalte Kachel des Bodens spürte.
Würgend zerrte sie ein Bündel Kleenex aus der Box auf dem Bord, wischte die Geschichte von ihrem Fuß und vom Boden ab und spülte das Beweisstück die Toilette hinunter. Sie riß ihre Strumpfhose herunter und ließ sie auf den Boden fallen, beugte sich über die Toilettenschüssel und erbrach die Reste des Tees und der Toastbrote, die sie bei Smith vor so vielen Stunden zu sich genommen hatte. Schweiß und Tränen rannen über ihr Gesicht. Sie drehte die Dusche auf, stellte sich mit den Kleidern darunter und riß sie sich unter dem heißen Wasser vom Leib. Die Platzwunde an der Stirn stach scheußlich, aber die Hitze und der Dampf wirkten reinigend. Langsam begann sie sich zu entspannen. Sie zog die restlichen Nadeln aus dem Haar, legte sie an den Badewannenrand und ließ das heiße Wasser über sich laufen.
Sie verließ das Bad, in ein großes himbeerfarbenes Badetuch gehüllt, und mit einem anderen Tuch um den Kopf. Sie ging geradewegs auf das Bett zu, zog die Steppdecke zurück und kroch hinein.
Irgend etwas klirrte auf den blanken Boden. Sie stöhnte und spähte über den Bettrand. Ihre Jacke und Handtasche waren auf den Boden gefallen, aber weder das eine noch das andere konnte den metallischen Klang verursacht haben. Was nun schon wieder? dachte sie.
Auf dem Boden neben ihrer Jacke lag ein Streichholzheft. Es hätte eigentlich nicht dieses Geräusch machen dürfen. Sie beugte sich vor und griff danach. Die Anstrengung war qualvoll. Ihre Hand schloß sich um das Heft. Sie drehte es in der Hand um. Es war grau. Etwas Metallisches war zwischen die Streichhölzer geklemmt und sah aus dem Heft vor. Sie zog es heraus. Es war ein kleiner Schlüssel.
W etzon stieß einen spitzen Schrei aus, als sie den Schlüssel und das Streichholzheft an die Wand warf. Wieder klirrte der verdammte Schlüssel. Sie streckte sich unter der Bettdecke aus, so gut sie konnte, und zog sie über den Kopf. Heftig atmend lag sie still da. Dann schlug sie mit den geballten Fäusten auf die Matratze. Sie war wütend.
Das war nicht fair. Sie hatte genug mitgemacht. Wirklich genug. Es war wie ein irrer Scherz. Wie werden wir Wetzon nun quälen? Was können wir ihr Neues antun... denken wir mal nach...
Dann drängte sich die Erinnerung an den armen verrückten Barry mit Macht in den Vordergrund... in lebendiger Farbe... in der Farbe des Todes.
»Ich halte Sie wirklich für eine Freundin«, hatte er gesagt. »Sie hören zu, Sie geben gute Ratschläge, auch wenn ich mich nicht danach richte, und dabei haben Sie keinen Cent an mir verdient.«
»Scheiße, Scheiße, Scheiße.« Die Bettdecke dämpfte ihre Stimme. Vorsichtig kroch sie aus dem Bett. Sie knäulte die Handtücher zusammen, in die sie sich gewickelt hatte, und ließ sie auf den Boden fallen. Sie stand nackt da, leicht gebückt, starrte auf den Boden vor der Wand und suchte den Schlüssel.
Sie fand die Streichhölzer am Fuß der alten Kommode, die ihr als Fernsehtisch diente. Aber keinen Schlüssel.
Also gut, es ging nicht anders. Sie ließ sich auf Hände und Knie hinab, um danach zu suchen. Mühsam und unter Schmerzen krümmte sie ihre malträtierten Arme, Beine und den Rücken. Sie hatte den Schlüssel klirren gehört, also konnte er nicht auf dem Bett sein. Er mußte in derselben Ecke wie das Streichholzheft gelandet sein. Aber falls er dort lag, mußte sie auch blind geworden sein. Sie richtete sich
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