Wallander 01 - Mörder ohne Gesicht
nach.
»Sie werden vielleicht gezwungen sein, Ihre Ferien ein paar Tage zu unterbrechen«, sagte er dann.
»Wir wollen morgen nach Öland fahren!«
Kurt Wallander entschloß sich unmittelbar.
»Das geht nicht«, erwiderte er. »Vielleicht übermorgen. Aber bitte nicht vorher.«
Er erhob sich und klopfte den Sand von seiner Hose.
»Informieren Sie bitte Ihre Eltern immer darüber, wo man Sie finden kann«, sagte er.
|310| Sie stand auf und wollte zu ihren Freunden zurückgehen.
»Kann ich es ihnen erzählen?« fragte sie.
»Lassen Sie sich etwas anderes einfallen«, antwortete er. »Das kriegen Sie schon hin.«
Kurz nach vier am selben Nachmittag wurde die Quittung über das getauschte Geld im Archiv der Bank wiedergefunden.
Der Namenszug war unleserlich. Eine Adresse war nicht angegeben.
Zu seiner Verwunderung war Kurt Wallander nicht enttäuscht. Er dachte, daß es daran liegen mußte, jetzt trotz allem herausgefunden zu haben, wie das Ganze abgelaufen sein konnte.
Direkt von der Bank aus fuhr er zu Rydberg nach Hause, der sich dort erholte.
Er saß auf seinem Balkon, als Kurt Wallander klingelte. Er war abgemagert und sehr bleich.
Gemeinsam setzten sie sich auf den Balkon, und Kurt Wallander berichtete von seiner Entdeckung.
Rydberg nickte nachdenklich.
»Ich denke, du hast recht«, sagte er, als Kurt Wallander schließlich schwieg. »So ist es bestimmt gewesen.«
»Die Frage ist jetzt nur noch, wie wir sie finden sollen«, meinte Kurt Wallander. »Ein paar Touristen auf einem zufälligen Besuch in Schweden, vor mehr als einem halben Jahr.«
»Vielleicht sind sie noch hier«, meinte Rydberg. »Als Flüchtlinge, Asylsuchende, Gastarbeiter.«
»Wo soll man da anfangen?« fragte Kurt Wallander.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Rydberg. »Aber dir fällt bestimmt noch etwas ein.«
Sie saßen noch ein paar Stunden auf Rydbergs Balkon.
Kurz vor sieben ging Kurt Wallander zu seinem Auto zurück.
Die Steine unter seinen Füßen waren nicht mehr ganz so kalt wie zuvor.
|311| 15
Die folgenden Tage würde Kurt Wallander immer als die Zeit in Erinnerung behalten, in der die Puzzleteile sich zu einem vollständigen Bild zusammensetzen ließen. Seine Ausgangspunkte waren Britta-Lena Bodéns Erinnerungsvermögen und eine unleserliche Unterschrift. Jetzt gab es ein vorstellbares Szenario, und Maria Lövgrens letztes Wort im Leben war ein Puzzleteil, welches endlich seinen richtigen Platz gefunden hatte. Außerdem paßte jetzt auch die Schlinge mit dem ungewöhnlichen Knoten ins Bild. Aus diesen Teilen fügte er das Bild zusammen. Noch am selben Tag, als er mit Britta-Lena Bodén zwischen Sandhammars warmen Dünen geredet hatte, war er zu Björk nach Hause gefahren, hatte ihn vom Essen hochgezerrt und ihm sofort das Versprechen abverlangt, Hansson und Martinsson wieder voll in die Ermittlung einbeziehen zu können, die nun aufs neue Priorität genoß und vorwärtsgetrieben werden sollte.
Am Mittwoch, den 11. Juli, wurde auf der Bank eine Rekonstruktion des Geschehens durchgespielt, bevor sie für die Kunden öffnete. Britta-Lena Bodén nahm hinter dem Schalter Platz, Hansson übernahm Johannes Lövgrens Rolle, und Martinsson und Björk spielten die beiden Männer, die gekommen waren, um ihre Dollarnoten einzutauschen. Kurt Wallander bestand darauf, daß alles exakt so sein sollte, wie vor einem halben Jahr. Letztendlich ließ der Filialleiter bekümmert zu, daß Britta-Lena Bodén Hansson tatsächlich 27.000 Kronen in gemischten, aber großen Scheinen übergab, die er in eine alte Aktentasche steckte, die Ebba ihm geliehen hatte.
Kurt Wallander stand abseits vom Geschehen und betrachtete |312| das Ganze. Er ließ alles zweimal wiederholen, nachdem Britta-Lena Bodén sich an ein Detail erinnert hatte, das nicht richtig paßte.
Kurt Wallander ließ diese Rekonstruktion vor allem auch deshalb durchführen, um ihr Gedächtnis anzuregen. Er hoffte, daß sie sich mit ihrem selten scharfen Gedächtnis an noch mehr erinnern würde.
Danach schüttelte sie den Kopf. Sie hatte alles gesagt, woran sie sich erinnerte. Sie hatte nichts hinzuzufügen. Kurt Wallander bat sie, ihre Ölandreise noch ein paar Tage aufzuschieben und ließ sie dann in einem Zimmer allein, in dem sie sich Photographien ausländischer Straftäter ansehen sollte, die aus unterschiedlichen Gründen in die Fänge der schwedischen Polizei geraten waren. Nachdem auch das ohne Resultat geblieben war, wurde sie in ein Flugzeug nach
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