Wallander 02 - Hunde von Riga
als sie von innen auch schon vorsichtig aufgeschlossen wurde. Zu seiner Verwunderung erkannte er den Mann, der ihm vor einigen Tagen die Tür zum Nachtclub des Hotels geöffnet hatte. Wallander folgte ihm eine Hintertreppe hinauf und wurde erst allein gelassen, als er die Tür zu Zimmer 1506 aufgeschlossen hatte. Es war drei Minuten nach zwei.
In seinem Zimmer war es kalt. Er goß sich einen Whisky in den Zahnputzbecher, schlug sich eine Decke um die Schultern und setzte sich an den Schreibtisch. Obwohl er müde war, wußte er, daß er weder Ruhe noch Schlaf finden würde, bevor er nicht eine Zusammenfassung der Geschehnisse dieser Nacht niedergeschrieben hatte. Der Stift lag kalt in seiner Hand. Er zog seine Notizen zu sich heran, nahm einen Schluck Whisky und dachte nach.
Kehre zu den Ausgangspunkten zurück,
hätte Rydberg gesagt.
Kümmere dich nicht um die Lücken und Unklarheiten. Gehe von dem aus, was du ganz genau weißt.
Aber was wußte er denn eigentlich schon? Zwei ermordete Letten treiben in einem jugoslawischen Rettungsboot bei Ystad an Land. An diesem Punkt war nicht zu rütteln. Ein Major der Rigaer Polizei hält sich für einige Tage in Ystad auf, um bei den Ermittlungen zu helfen. Wallander selbst begeht den unverzeihlichen Fehler, das Schlauchboot nicht gründlich genug zu untersuchen. Es wird gestohlen.
Von wem?
Major Liepa kehrt nach Riga zurück. Er legt den beiden Obersten, Putnis und Murniers, einen Bericht vor. Dann fährt er nach Hause und zeigt seiner Frau das Buch, das ihm der schwedische Polizeibeamte Wallander geschenkt hat.
Worüber spricht er mit seiner Frau?
Was bringt sie dazu, sich an Upitis zu wenden, nachdem sie sich in ein Zimmermädchen verwandelt hat?
Warum erfindet sie Herrn Eckers?
|162| Wallander leerte den Becher und schenkte Whisky nach. Seine Fingerspitzen waren weiß, und er wärmte seine Hände unter der Decke.
Suche auch dort nach Zusammenhängen, wo du keine vermutest
, hatte er Rydberg oft sagen hören. Aber gab es überhaupt Zusammenhänge? Der gemeinsame Nenner war Major Liepa. Und sonst? Der Major hatte von Schmuggel gesprochen, von Rauschgift. Oberst Murniers ebenfalls. Aber es gab keine Beweise, nur Vermutungen.
Wallander las noch einmal seine Notizen. Gleichzeitig fielen ihm Upitis’ Worte wieder ein.
Major Liepa ist einer Sache auf die Spur gekommen.
Aber welcher Sache? Eines der Ungeheuer, von denen Upitis gesprochen hatte?
Nachdenklich starrte er auf die Gardinen, die sich sachte in der Zugluft, die von den undichten Fenstern hereinströmte, bewegten.
Jemand hat ihn verraten. Wir verdächtigen Oberst Murniers.
War dies denkbar? Wallander erinnerte sich an den Polizisten aus Malmö, der im vorigen Jahr kaltblütig einen Asylbewerber erschossen hatte. Gab es überhaupt noch etwas, was undenkbar war?
Er schrieb weiter. Zwei Tote in einem Boot – Rauschgift – Major Liepa – Oberst Murniers. Was bedeutete diese Kette? Was hatte Upitis wissen wollen? Hat er geglaubt, Major Liepa hätte mir etwas anvertraut, als er auf meinem Sofa saß und Maria Callas lauschte? Wollte er wissen, was gesagt worden ist? Oder wollte er herausfinden, ob der Major mir überhaupt Vertrauen geschenkt hat?
Es war jetzt fast Viertel nach drei. Wallander spürte, daß er nicht weiterkommen würde. Er ging ins Badezimmer und putzte sich die Zähne. Im Spiegel konnte er sehen, daß sein Gesicht von der kratzenden Wollkapuze immer noch rotgefleckt war.
Was weiß Baiba Liepa? Was sehe ich nicht?
|163| Er zog sich aus und legte sich ins Bett, nachdem er den Wecker auf kurz vor sieben gestellt hatte. Aber der Schlaf wollte sich nicht einfinden. Er sah auf seine Armbanduhr. Viertel vor vier. Die Zeiger des Weckers schimmerten in der Dunkelheit. Fünf nach halb vier. Er legte sich das Kissen zurecht und schloß die Augen. Plötzlich fuhr er auf. Er sah wieder auf seine Armbanduhr. Neun Minuten vor vier. Er streckte die Hand aus und schaltete die Nachttischlampe an. Der Wecker zeigte neunzehn Minuten vor vier. Er setzte sich im Bett auf. Warum ging der Wecker falsch? Oder ging seine Armbanduhr etwa falsch? Warum gingen die Uhren so unterschiedlich? Das war neu. Er nahm den Wecker in die Hand und drehte die Zeiger so weit, daß beide Uhren dieselbe Zeit anzeigten. Sechs Minuten vor vier. Dann löschte er das Licht und schloß die Augen. Als er schon fast in den Schlaf hinüberglitt, zog es ihn wieder an die Oberfläche. Er lag völlig regungslos in der Dunkelheit und dachte,
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