Wallander 02 - Hunde von Riga
daß er schon Gespenster sah. Schließlich aber schaltete er die Nachttischlampe doch noch einmal an, setzte sich im Bett auf und schraubte die Rückseite des Weckers ab.
Die Wanze war nicht größer als ein Fingernagel, und nur drei oder vier Millimeter dick.
Sie saß festgekeilt zwischen den beiden Batterien. Wallander hielt sie zunächst für eine Staubflocke oder ein Stück graues Klebeband. Aber als er den Schirm der Nachttischlampe drehte und den Wecker genauer betrachtete, sah er, daß es sich um eine Wanze handelte.
Lange saß er mit dem Wecker in der Hand im Bett. Dann schraubte er die Rückseite wieder zu.
Kurz vor sechs fiel er in einen unruhigen Halbschlummer.
Die Nachttischlampe ließ er an.
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Als Kurt Wallander aufwachte, war er von unbändiger Wut erfüllt. Nach der Entdeckung der Wanze in seinem Wecker fühlte er sich gedemütigt und verletzt. Als er versuchte, die Müdigkeit aus seinem Körper zu duschen, beschloß er, sofort herauszufinden, warum er überwacht wurde. Er ging davon aus, daß die beiden Obersten dahintersteckten. Aber warum hatten sie die schwedische Polizei um Hilfe gebeten, wenn sie ihm dann durch die Beschattung offen ihr Mißtrauen zeigten? Den Mann im grauen Anzug, den er im Restaurant entdeckt und später an der Rezeption wiedergesehen hatte, konnte er verstehen. So stellte er sich ein normales Dasein in einem Land hinter dem anscheinend immer noch existierenden Eisernen Vorhang vor. Aber in sein Zimmer einzubrechen und eine Wanze zu verstecken?
Um halb acht trank er Kaffee im Speisesaal. Er versuchte, einen Beschatter ausfindig zu machen. Aber abgesehen von zwei Japanern, die an einem Ecktisch ein ernstes und leises Gespräch führten, war er allein im Speisesaal. Kurz vor acht trat er auf die Straße hinaus. Die Luft war wieder milder geworden. Vielleicht war der Frühling schon unterwegs. Sergeant Zids stand am Auto und winkte ihm zu. Um seine Unzufriedenheit zu demonstrieren, saß Wallander auf der Fahrt zu dem befestigten Polizeihauptquartier schweigend und verschlossen da. Als Zids ihn zu seinem Büro auf Murniers’ Flur begleiten wollte, winkte er ab. Er glaubte, den Weg jetzt zu kennen, verlief sich aber und mußte sich wutschnaubend durchfragen. Er blieb vor Oberst Murniers’ Tür stehen und hob die Hand, um anzuklopfen. Dann überlegte er es sich |165| anders und ging in sein eigenes Büro. Er war immer noch müde und mußte zunächst seine Gedanken sammeln, bevor er mit Murniers sprach. Das Telefon klingelte, als er sich gerade die Jacke ausgezogen hatte.
»Guten Morgen«, sagte Oberst Putnis. »Ich hoffe, daß Sie gut geschlafen haben, Herr Wallander.«
Du weißt bestimmt, daß ich so gut wie gar nicht geschlafen habe, dachte Wallander wütend. Durch die Wanze müßt ihr gehört haben, daß ich nicht geschnarcht habe. Du hast doch schon einen Bericht vor dir auf dem Schreibtisch liegen.
»Ich kann mich nicht beklagen«, antwortete er. »Wie kommen Sie mit dem Verhör voran?«
»Nicht besonders gut, fürchte ich. Aber ich werde jetzt am Vormittag weitermachen. Wir werden den Verdächtigen mit neuen Erkenntnissen konfrontieren, die ihn möglicherweise dazu bewegen, seine Situation noch einmal zu überdenken.«
»Ich fühle mich überflüssig«, sagte Wallander. »Ich weiß wirklich nicht, wie ich eigentlich behilflich sein kann.«
»Gute Polizisten sind immer ungeduldig«, antwortete Oberst Putnis. »Ich hatte vor, kurz bei Ihnen vorbeizuschauen, wenn es Ihnen recht ist.«
»Ich bin hier«, sagte Wallander.
Eine Viertelstunde später kam Oberst Putnis. Im Schlepptau hatte er einen jungen Polizisten, der ein Tablett mit zwei Kaffeetassen trug. Putnis sah müde aus, er hatte dunkle Ringe unter den Augen.
»Sie sehen müde aus, Oberst Putnis?«
»Die Luft im Vernehmungszimmer ist schlecht.«
»Vielleicht rauchen Sie zuviel?«
Putnis zuckte die Schultern.
»Da haben Sie sicher recht«, sagte er. »Ich habe gehört, daß schwedische Polizisten selten rauchen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie ich ein Leben ohne Zigaretten aushalten sollte.«
Major Liepa, dachte Wallander. Hatte er noch Zeit, von dem |166| merkwürdigen Polizeipräsidium in Schweden zu erzählen, in dem man nur in bestimmten Räumen rauchen durfte?
Putnis hatte eine Zigarettenschachtel aus der Tasche gezogen.
»Erlauben Sie?« fragte er.
»Bitte sehr. Ich bin zwar Nichtraucher, aber mich stört der Rauch nicht sonderlich.«
Wallander nahm einen Schluck Kaffee. Er
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