Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
Vom Netzwerk:
unglücklichen Ausgangssituation befand, weil er das Straßennetz überhaupt nicht kannte und deshalb auch keine Überraschungsmomente einplanen konnte. Er würde gezwungen sein, eine günstige Gelegenheit zu ergreifen; sein Versuch würde zum Scheitern verurteilt sein.
    Trotzdem mußte er es wenigstens versuchen. Baiba Liepa hätte sich niemals soviel Mühe gegeben, ihr Treffen vor fremden Augen zu schützen, wenn es dafür nicht gute Gründe gäbe. Wallander konnte sich jedenfalls nicht vorstellen, daß Major Liepas Frau sich grundlos zu dramatischen Aktionen hinreißen ließ.
    Es war bereits dunkel, als er das Hotel verließ. Er gab seinen Schlüssel an der Rezeption ab, ohne Bescheid zu sagen, wohin er ging oder wann er wieder zurück sein wollte. Die Gertrudkirche, |184| in der das Konzert stattfinden sollte, lag ganz in der Nähe des Hotels »Latvija«. Er hatte die vage Hoffnung, zwischen den vielen Menschen, die aus allen Himmelsrichtungen von der Arbeit nach Hause strömten, untertauchen zu können.
    Als er das Hotel verließ, bemerkte er, daß es ziemlich windig geworden war. Er knöpfte seine Jacke bis zum Hals zu und sah sich schnell um. Natürlich entdeckte er keinen Beschatter. Vielleicht waren es auch mehrere? Irgendwo hatte er gelesen, daß erfahrene Beschatter niemals hinter der Zielperson gingen, sondern sich möglichst vor ihr aufhielten. Er ging langsam und blieb oft vor Schaufenstern stehen. Es war ihm nichts Besseres eingefallen, als einen abendlichen Spaziergänger zu spielen, einen Ausländer, der während seines kurzen Aufenthalts in Riga versuchte, geeignete Souvenirs zu finden, ehe er wieder abreiste. Er überquerte den breiten Boulevard und bog in die Straße hinter dem Regierungssitz. Für einen kurzen Moment war er versucht, nach einem Taxi Ausschau zu halten und dann darum zu bitten, zu einem Ort gefahren zu werden, an dem er in ein anderes Taxi steigen konnte. Aber er befürchtete, daß dieses Manöver für seine Beschatter viel zu durchsichtig sein würde. Die Männer, die ihn beschatteten, würden sicherlich auch über Wagen und zudem über die Möglichkeit verfügen, binnen kürzester Zeit in Erfahrung zu bringen, wohin und mit welchen Fahrgästen die Taxis der Stadt gefahren waren.
    Er blieb an einem Fenster stehen, in dem triste Herrenbekleidung ausgestellt war. Er konnte keinen der Menschen, die hinter ihm vorbeigingen und sich im Schaufenster spiegelten, wiedererkennen. Was mache ich bloß, dachte er.
Baiba, du hättest Herrn Eckers sagen müssen, wie er zur Kirche kommen kann, ohne verfolgt zu werden.
Er ging weiter. Er hatte kalte Hände und bereute, keine Handschuhe mitgenommen zu haben. Einer plötzlichen Eingebung folgend, betrat er das Lokal, an dem er gerade vorbeiging. Er kam in einen verrauchten |185| Raum, der voller Menschen war, es stank nach Bier, Rauch und verschwitzten Kleidern. Er sah sich nach einem freien Tisch um und entdeckte in der hintersten Ecke einen freien Stuhl. Zwei ältere Männer saßen in ein Gespräch versunken vor ihren Biergläsern und nickten nur kurz, als er eine fragende Geste machte. Eine Kellnerin mit Schweißflecken unter den Armen rief ihm etwas zu, und er zeigte auf eines der Biergläser. Die ganze Zeit über behielt er die Eingangstür im Auge. Würde sein Beschatter ihm ins Lokal folgen? Die Kellnerin kam mit seinem überschäumenden Glas, er gab ihr einen Geldschein, und sie legte das Wechselgeld auf den klebrigen Tisch. Ein Mann in einer zerschlissenen, schwarzen Lederjacke kam zur Tür herein. Wallanders Blick folgte ihm. Der Mann gesellte sich zu einer Runde, die bereits ungeduldig auf ihn gewartet zu haben schien. Wallander trank einen Schluck Bier und sah auf seine Armbanduhr. Fünf vor sechs. Jetzt mußte er sich langsam etwas einfallen lassen. Schräg hinter ihm lagen die Toiletten. Jedesmal, wenn jemand durch die Tür kam, schlug ihm der Dunst von Urin entgegen. Als er sein Bierglas halb geleert hatte, ging er selbst auf die Toilette hinaus. Eine einzelne Glühbirne baumelte von der Decke herab, auf beiden Seiten des schmalen Gangs waren Toilettenkabinen. Am hinteren Ende des Korridors befand sich ein Pissoir. Er suchte nach einer Hintertür, aber der Gang endete an einer dicken Wand aus Ziegelsteinen. Es geht nicht, dachte er. Der Versuch ist sinnlos. Wie soll man vor etwas entkommen, das man nicht sehen kann?
Herr Eckers wird leider in unwillkommener Gesellschaft zum Orgelkonzert erscheinen.
Er ärgerte sich über seine

Weitere Kostenlose Bücher