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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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münden entweder in enge Gassen oder weite Plätze, die Exerzierplätze des Kalten Krieges aus grauem Beton mit mächtigen Granitmonumenten.
    Als Sergeant Zids vor einer roten Ampel hielt, beobachtete Wallander die Menschen, die in einem gleichmäßigen Strom auf dem Bürgersteig vorüberflossen. Waren sie glücklich? Unterschieden sie sich von den Menschen daheim? Er konnte das nicht beurteilen.
    »Der Vermanspark«, sagte Sergeant Zids. »Dort hinten liegen zwei Kinos, Spartak und Riga. Links sehen Sie die Esplanade. Jetzt biegen wir in die Valdemarstraße ein. Wenn wir die Brücke über den Stadtkanal überquert haben, sehen Sie auf der rechten Seite das Schauspielhaus. Nun biegen wir wieder nach links ab, auf den Kai des 11.   November. Sollen wir noch weitermachen, Oberst Wallander?«
    »Das reicht erst einmal«, antwortete Wallander, der sich ganz und gar nicht wie ein Oberst fühlte. »Später können Sie mir helfen, Souvenirs zu kaufen. Jetzt möchte ich, daß Sie in der Nähe von Major Liepas Haus anhalten.«
    »In der Skarnustraße«, sagte Sergeant Zids. »Mitten im Herzen von Rigas ältestem Stadtteil.«
    Er parkte das Auto hinter einem qualmenden Lastwagen, aus dem gerade Kartoffelsäcke abgeladen wurden. Wallander überlegte einen Augenblick, ob er den Sergeant mitnehmen |177| sollte. Ohne ihn würde er keine Fragen stellen können. Gleichzeitig verspürte er das Bedürfnis, mit seinen Beobachtungen und Gedanken allein zu sein.
    »Das ist Major Liepas Haus«, erklärte Sergeant Zids und zeigte auf ein zwischen zwei Hochhäusern eingeklemmtes Gebäude, das von diesen gestützt zu werden schien.
    »Wohnte er zur Straße hinaus?« fragte Wallander.
    »Im ersten Stock. Die vier Fenster links.«
    »Warten Sie hier beim Auto«, sagte Wallander.
    Obwohl es mitten am Tag war, befanden sich nicht viele Menschen auf der Straße. Wallander näherte sich langsam dem Haus, das Major Liepa an jenem Abend verlassen hatte, als er zu seinem letzten Spaziergang aufbrach. Ihm fiel ein, daß Rydberg einmal gesagt hatte, ein Polizist müsse manchmal wie ein Schauspieler sein und das Unbekannte mit Einfühlungsvermögen erkunden. Einem Täter oder Opfer unter die Haut kriechen, sich Gedanken und Reaktionen vorstellen. Wallander ging zur Eingangstür und öffnete sie. Im Treppenhaus war es dunkel, und ein beißender Uringestank schlug ihm entgegen. Er ließ die Tür los, die sich mit einem schwachen Knacken fast lautlos wieder schloß.
    Woher die Eingebung kam, konnte er nicht sagen. Aber als er dort stand und in das dunkle Treppenhaus starrte, schien er plötzlich deutlich vor sich zu sehen, wie alles zusammenhing. Ein kurz aufflackerndes Bild, das unmittelbar darauf wieder erlosch. Es war entscheidend, daß er sich an alle Einzelheiten erinnerte.
Es muß vorher schon etwas geschehen sein,
fuhr es ihm durch den Kopf. Als Major Liepa nach Schweden kam, war bereits viel passiert. Das Rettungsboot, das Witwe Forsell bei Mossby Strand entdeckt hatte, war nur ein Teil eines Ganzen, dem Major Liepa auf die Spur gekommen war. Das war es, was Upitis wissen wollte, als er seine Fragen stellte. Hatte Major Liepa sich ihm anvertraut, hatte er darüber gesprochen, daß er von einem Verbrechen in seiner Heimat etwas wußte oder ahnte? Wallander wurde schlagartig klar, daß er bisher einen |178| Gedankenschritt übersprungen hatte, den er schon früher hätte erkennen müssen. Wenn Upitis mit seiner Vermutung recht hatte, daß Major Liepa von jemandem aus seinen eigenen Reihen verraten worden war, vielleicht von Oberst Murniers, lag es dann nicht auf der Hand, daß sich außer Upitis noch andere Leute dieselbe Frage stellten?
Was weiß eigentlich der schwedische Polizeibeamte Kurt Wallander?
War es möglich, daß Major Liepa ihm etwas anvertraut hatte?
    Wallander wußte jetzt, daß die Angst, die er in Riga schon mehrmals verspürt hatte, ein Warnsignal gewesen war. Vielleicht sollte er wachsamer sein als bisher? Es bestand kein Zweifel, daß die Verantwortlichen für die Morde an den Männern im Rettungsboot und an Major Liepa nicht zögern würden, noch einmal zu töten.
    Er überquerte die Straße, um zu den Fenstern hinaufsehen zu können. Baiba Liepa muß etwas wissen, dachte er. Aber warum ist sie nicht selbst in die Jagdhütte gekommen? Wird sie ebenfalls überwacht? Bin ich darum
Herr Eckers
geworden? Warum habe ich mit Upitis geredet? Wer ist Upitis? Wer stand in dem vom schwachen Schein einer Lampe erhellten Türspalt und

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