Wallander 02 - Hunde von Riga
hörte uns zu?
Einfühlungsvermögen, dachte er. Jetzt hätte Rydberg seine einsame Theatervorführung gegeben.
Major Liepa kehrt aus Schweden zurück. Er erstattet Oberst Putnis und Oberst Murniers Bericht. Dann fährt er nach Hause. Irgend etwas, was er über die Ermittlung in Schweden erwähnte, führt dazu, daß jemand unverzüglich das Todesurteil verhängte. Er fährt nach Hause, ißt mit seiner Frau zu Abend, zeigt ihr das Buch, das er von dem schwedischen Polizeibeamten Wallander bekommen hat. Er ist froh darüber, wieder zu Hause zu sein, er ahnt nicht, daß dies sein letzter Abend ist. Aber als er tot ist, nimmt seine Witwe zu dem schwedischen Polizisten Verbindung auf, sie erfindet Herrn Eckers, und ein Mann, der sich Upitis nennt, verhört ihn, um herauszubekommen, was er weiß oder nicht weiß. Der
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schwedische Polizist wird um Hilfe gebeten, ohne jede Erklärung, wie er eigentlich helfen kann. Aber soviel ist trotzdem klar, daß es ein Verbrechen im Zusammenhang mit der politischen Unruhe im Land gegeben hat, und der Dreh- und Angelpunkt ist ein toter Polizeimajor namens Liepa. Also muß noch ein weiteres Glied hinzugefügt werden. Spricht der Major an seinem letzten Abend mit seiner Frau darüber? Um kurz vor elf klingelt das Telefon. Keiner weiß, wer anruft, aber Major Liepa scheint nichts davon zu ahnen, daß die Vollstreckung seines Todesurteils angekündigt wird. Er sagt, daß er während der Nacht Dienst hat, und verläßt das Haus. Er kehrt niemals zurück.
Es kam kein Auto, dachte Wallander. Er wartet natürlich ein paar Minuten und ahnt immer noch nichts. Nach einer Weile glaubt er, das Auto habe vielleicht eine Panne gehabt. Er beschließt, zu Fuß zu gehen.
Wallander nahm den Stadtplan von Riga aus der Tasche und fing an zu gehen.
Sergeant Zids saß im Wagen und beobachtete ihn. Wem erstattet er wohl Bericht, überlegte Wallander. Oberst Murniers?
Die Stimme am Telefon, die ihn in die Nacht hinausgelockt hat, muß ihm vertraut gewesen sein, dachte Wallander. Major Liepa kann zu keinem Zeitpunkt Verdacht gefaßt haben, dabei muß er gute Gründe gehabt haben, allen gegenüber äußerst mißtrauisch zu sein! Wem hat er eigentlich vertrauen können?
Die Frage beantwortete sich von selbst. Baiba Liepa, seiner Frau.
Wallander sah ein, daß es ihn nicht weiterbrachte, mit einem Stadtplan in der Hand spazierenzugehen. Die Leute – denn es mußten mehrere gewesen sein –, die den Major während seiner letzten Reise aufgelesen hatten, waren sorgfältig vorgegangen. Er mußte andere Spuren verfolgen, um weiterzukommen.
|180| Als er zu dem im Auto wartenden Zids zurückging, fiel ihm ein, wie merkwürdig es war, daß kein schriftlicher Bericht über die Reise des Majors nach Schweden vorlag. Wallander hatte selbst beobachtet, wie der Major während seines Aufenthalts in Ystad eifrig Aufzeichnungen gemacht hatte. Er hatte darüber hinaus bei mehreren Gelegenheiten betont, wie wichtig es sei, sofort und detailliert alles schriftlich festzuhalten. Was man ohne Notizen im Gedächtnis behielt, war für einen gründlich arbeitenden Polizisten einfach nicht genug.
Aber einen schriftlichen Bericht hatte Sergeant Zids ihm nicht übersetzt. Putnis oder Murniers hatten ihm lediglich einen mündlichen Rapport von ihrem letzten Treffen mit dem Major gegeben.
Er glaubte, den Major vor sich zu sehen. Unmittelbar nach dem Start des Flugzeugs hätte er den kleinen Tisch vor sich heruntergeklappt und mit seinem Bericht begonnen. Er hätte seine Arbeit während der Wartezeit auf dem Stockholmer Flughafen Arlanda fortgesetzt und auf dem letzten Teil der Reise über die Ostsee nach Riga beendet.
»Hat der Major keinen schriftlichen Bericht über seine Arbeit in Schweden hinterlassen?« fragte er, als er sich ins Auto gesetzt hatte.
Sergeant Zids sah ihn verwundert an.
»Wie hätte er dazu kommen sollen?«
Dazu ist er gekommen, dachte Wallander. Dieser Bericht muß irgendwo sein. Aber vielleicht gibt es jemanden, der nicht will, daß ich ihn sehe.
»Souvenirs«, sagte Wallander. »Ich möchte in ein Kaufhaus. Danach essen wir zu Mittag. Aber ich will mich diesmal in keiner Schlange vordrängeln.«
Sie parkten vor dem Zentralen Kaufhaus. Eine ganze Stunde lang schlenderte Wallander mit dem Sergeant im Schlepptau umher. Das Kaufhaus war voller Menschen, aber das Warenangebot war dürftig. Erst als er in die Bücher- und Schallplattenabteilung kam, blieb er voller Interesse stehen. Er |181| fand
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