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Wallander 02 - Hunde von Riga

Wallander 02 - Hunde von Riga

Titel: Wallander 02 - Hunde von Riga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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leicht merken. Es ist durchaus möglich, daß man ihn im Telefonbuch findet. Ich weiß es nicht.«
    Zu Beginn hatte ihn das Gespräch an seine Unterredung mit Upitis erinnert. Sie brauchte Zeit, um sich zum schmerzlichen Kern vorzutasten. Er hatte aufmerksam zugehört und die ganze Zeit befürchtet, ihm könne irgendeine der verborgenen Bedeutungen entgehen. Die Gespräche über Lettland schienen damit gespickt zu sein, und er gewöhnte sich langsam daran. Aber sie bestätigte Upitis’ Worte über Ungeheuer, die im Verborgenen lauerten, über den unversöhnlichen Kampf, der in Lettland ausgetragen wurde. Sie sprach von Furcht und Haß, von der Furcht, deren Würgegriff langsam nachließ, von einer seit dem Zweiten Weltkrieg unterdrückten Generation. In jedem Ostblockland lebten Menschen, die dem Westen gegenüber aufgeschlossen waren und so, als Bürger kommunistischer Staaten, dem Kapitalismus einen Dienst erwiesen hatten. Sie war natürlich eine Gegnerin des Kommunismus, eine Gegnerin der Sowjetunion. Sie gehörte zu jenen, die die Staaten des Ostblocks dem Westen nähergebracht hatten. Aber sie erlag nie der Versuchung, unbewiesene Behauptungen aufzustellen. Im nachhinein begriff er, daß sie ihn dazu bringen wollte
zu verstehen
. Sie war seine Lehrerin und wollte ihn über die Hintergründe der politischen Ereignisse aufklären. Er mußte einsehen, daß er bisher nicht gewußt hatte, was eigentlich im östlichen Europa vor sich ging.
    »Sag Kurt«, hatte er gesagt. Aber sie hatte nur den Kopf |191| geschüttelt und weiterhin Abstand gewahrt. Für sie würde er zunächst Herr Wallander bleiben.
    Er fragte sie, wo sie sich befanden.
    »In der Wohnung eines Freundes«, antwortete sie. »Um auszuharren und zu überleben, müssen wir alles miteinander teilen. Besonders in einem Land und in einer Zeit, in der alle dazu aufgefordert werden, nur noch an sich selbst zu denken.«
    »Kommunismus bedeutet für mich eigentlich das Gegenteil«, meinte er. »Ich habe gedacht, daß nur gemeinsame Anstrengungen anerkannt werden.«
    »Das war auch einmal so«, antwortete sie. »Aber früher war alles anders. Vielleicht ist es ja möglich, diesen Traum irgendwann in der Zukunft zu verwirklichen? Oder lassen sich tote Träume nicht wieder zu neuem Leben erwecken? Vielleicht bleiben Träume wie Menschen auf immer tot.«
    »Was ist geschehen?« wollte er wissen.
    Zunächst schien sie nicht zu wissen, was er mit seiner Frage meinte. Dann begriff sie, daß er von ihrem Mann sprach.
    »Karlis ist verraten und ermordet worden«, sagte sie. »Er war allzu nah an der Aufklärung eines Verbrechens, in das viel zu viele einflußreiche Personen verstrickt sind, als daß er hätte weiterleben dürfen. Er wußte, daß er gefährlich lebte. Aber er glaubte, noch nicht als Überläufer enttarnt worden zu sein.
A traitor inside the nomenclature.
«
    »Er kehrte aus Schweden zurück«, sagte Wallander. »Vom Flughafen fuhr er sofort zum Hauptquartier der Polizei, um dort Bericht zu erstatten. Haben Sie ihn am Flughafen abgeholt?«
    »Ich wußte nicht einmal, daß er zurückkommen würde«, antwortete Baiba Liepa. »Vielleicht hat er ja versucht, mich anzurufen? Ich werde es nie erfahren. Vielleicht hat er auch ein Telegramm an die Polizei geschickt und sie gebeten, es mir mitzuteilen? Auch das werde ich nie herausfinden. Er rief mich erst an, als er schon wieder in Riga war. Ich hatte noch nicht einmal etwas zu essen im Haus, um seine Heimkehr zu |192| feiern. Einer meiner Freunde gab mir ein Huhn. Ich war gerade erst mit dem Kochen fertig, als er mit dem schönen Buch nach Hause kam.«
    Wallander schämte sich ein wenig. Das Buch hatte er in großer Eile und ohne sich Gedanken zu machen gekauft, es hatte ihm nichts bedeutet. Wenn er sie jetzt so hörte, war es ihm nachträglich so, als habe er sie betrogen.
    »Er muß etwas gesagt haben, als er nach Hause kam«, sagte Wallander und empfand seinen englischen Wortschatz als immer kläglicher.
    »Er war guter Laune«, antwortete sie. »Natürlich war er auch beunruhigt und wütend. Aber vor allem werde ich mich daran erinnern, wie froh er war.«
    »Warum?«
    »Er sagte, daß er endlich Klarheit gewonnen hätte.
Jetzt bin ich mir meiner Sache sicher
, sagte er immer und immer wieder. Weil er befürchtete, daß unsere Wohnung abgehört würde, zog er mich in die Küche hinaus, drehte das Wasser auf und flüsterte in mein Ohr. Er sagte, er habe eine Verschwörung aufgedeckt, die so ungeheuerlich und

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