Wallander 03 - Die weisse Löwin
gesagt hatte.
|263| »Du wirst regelmäßig zum Präsidenten gerufen werden. Du führst kein Protokoll, lediglich Aufzeichnungen aus dem Gedächtnis sind erlaubt, die du anschließend verbrennst. Du sprichst nur mit dem Präsidenten und mit mir. Wenn jemand aus deiner Abteilung fragt, womit du dich beschäftigst, so lautet die offizielle Version, ich hätte dich beauftragt, den Neueinstellungsbedarf an Staatsanwälten für die nächste Zehnjahresperiode zu ermitteln. Ist das klar?«
»Ja«, antwortete Georg Scheepers.
Wervey erhob sich, nahm eine Kunststoffmappe vom Schreibtisch und reichte sie Scheepers. »Hier hast du die wenigen Ermittlungsergebnisse, die bisher vorliegen. Van Heerden ist erst seit zwölf Stunden tot. Die Suche nach dem Mörder wird von einem Kommissar namens Borstlap geleitet. Ich schlage vor, daß du zur Brenthurst Clinic hinausfährst und mit ihm sprichst.«
Damit war das Treffen beendet.
»Mach deine Sache ordentlich«, hatte Wervey zum Abschluß gesagt. »Ich habe mich für dich entschieden, weil du dich als ein guter Staatsanwalt gezeigt hast. Ich mag es nicht, wenn man mich enttäuscht.«
Georg Scheepers war in sein Arbeitszimmer zurückgekehrt und hatte versucht zu begreifen, was eigentlich von ihm erwartet wurde. Dann fiel ihm ein, daß er einen neuen Anzug kaufen müßte. Er hatte nichts Geeignetes anzuziehen, wenn er zum Präsidenten gerufen wurde.
Als er in dem dunklen Vorzimmer saß, trug er einen sehr teuren dunkelblauen Anzug. Seine Frau war neugierig gewesen, warum er ihn gekauft hatte. Er hatte erklärt, er würde in einem Ausschuß sitzen, der vom Justizminister persönlich geleitet wurde. Sie hatte seine Ausrede ohne weitere Fragen akzeptiert.
Es war zwanzig Minuten vor ein Uhr in der Nacht, als der diskrete Diener die Tür aufmachte und mitteilte, daß der Präsident ihn nun empfangen würde. Georg Scheepers sprang auf und merkte, daß er nervös war. Er folgte dem Bediensteten, der vor einer hohen Doppeltür stehenblieb, anklopfte und ihm öffnete.
|264| An einem Schreibtisch mit nur einer Tischlampe saß der Mann mit dem schütteren Haar, den er treffen sollte. Unsicher blieb er in der Nähe der Tür stehen, bis der Mann am Schreibtisch ihn heranwinkte und auf einen Besucherstuhl wies.
Präsident de Klerk sah müde aus. Georg Scheepers fiel auf, daß er dicke Tränensäcke unter den Augen hatte.
Der Präsident kam schnell zur Sache. In seiner Stimme schwang eine Spur Ungeduld mit, als sei er ständig gezwungen, mit Leuten zu reden, die nichts verstanden.
»Ich bin davon überzeugt, daß Pieter van Heerden keinem Raubmord zum Opfer gefallen ist«, begann de Klerk. »Sie haben die Aufgabe, darauf zu achten, daß die Ermittler der Polizei einsehen, daß die Arbeit im Geheimdienst ausschlaggebend für seinen Tod gewesen sein muß. Ich möchte, daß all seine Computeranlagen untersucht werden, alle seine Dokumentenmappen, alles, womit er sich in den letzten Jahren beschäftigt hat. Verstanden?«
»Ja«, antwortete Georg Scheepers.
De Klerk lehnte sich nach vorn, so daß das Licht voll auf sein Gesicht fiel und ihm ein beinahe geisterhaftes Aussehen verlieh.
»Van Heerden hat mich über den Verdacht informiert, eine Konspiration sei im Gange, die ganz Südafrika ernsthaft bedrohen könnte. Eine Verschwörung, die uns ins Chaos führen würde. Daß er ermordet wurde, muß in diesem Zusammenhang gesehen werden. Nichts anderes.«
Georg Scheepers nickte.
»Mehr müssen Sie nicht wissen«, fuhr de Klerk fort und lehnte sich wieder zurück. »Chefankläger Wervey hat Sie ausgewählt, mich zu informieren, weil er Sie für unbedingt zuverlässig und loyal gegenüber der Staatsmacht hält. Aber ich will nur den konspirativen Charakter der Angelegenheit betonen. Es wäre Hochverrat, wenn Sie das, was ich Ihnen gerade gesagt habe, an die Öffentlichkeit brächten. Sie sind Anwalt, Ihnen muß ich ja nicht erzählen, wie die Strafe für eine solche Handlung lauten würde.«
»Natürlich nicht«, bestätigte Georg Scheepers und straffte sich unwillkürlich.
|265| »Wenn Sie etwas zu melden haben, berichten Sie es direkt mir. Sie sprechen mit meinem Sekretariat, man macht dann einen Termin aus. Vielen Dank, daß Sie gekommen sind.«
Die Audienz war vorüber. De Klerk hatte sich wieder über seine Papiere gebeugt.
Georg Scheepers stand auf, verbeugte sich und ging über den weichen Teppich zur Doppeltür.
Der Bürodiener begleitete ihn die Treppe hinunter. Ein bewaffneter
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