Wallander 03 - Die weisse Löwin
Tania hatte sich eine Zigarette angezündet. Vladimir war sofort verstimmt gewesen, und sie hatte ein Fenster geöffnet, das klemmte.
Es war selten, daß Raucher über andere mit demselben Laster klagten. Vor allem nicht, wenn es sich nur um eine Zigarette handelte und der Raum groß genug war. Rauchte Tania zwei verschiedene Sorten? Kaum glaubhaft. Also rauchte auch Vladimir.
Nachdenklich ging er wieder ins Wohnzimmer hinüber. Er öffnete dasselbe Fenster wie Tania. Es klemmte auch jetzt.
Nacheinander öffnete und schloß er die anderen Fenster und die Glastür des Balkons. Es ging problemlos.
Mit gerunzelter Stirn blieb er stehen. Weshalb hatte sie ausgerechnet das Fenster gewählt, das klemmte? Und warum ließ sich das Fenster so schwer öffnen?
Plötzlich erkannte er, daß die Antworten wichtig waren. Und daß es nur eine Möglichkeit gab.
Tania hatte genau dieses Fenster geöffnet, weil genau dieses Fenster geöffnet werden mußte. Und es hatte geklemmt, weil es selten benutzt wurde.
|259| Er stellte sich wieder an das Fenster und erkannte, daß man nur dieses Fenster deutlich von einem dort unten parkenden Auto aus beobachten konnte. Er dachte noch einmal über das Ganze nach.
Dann verstand er. Tania war nervös gewesen. Sie hatte zur Wanduhr geschaut, die hinter seinem Rücken hing. Dann hatte sie ein Fenster geöffnet, das nur benutzt wurde, wenn jemand davor gewarnt werden sollte hinaufzukommen.
Konovalenko, dachte er. So nahe war er gewesen.
In der Pause zwischen zwei Telefongesprächen berichtete er Lovén, was er herausgefunden hatte.
»Du könntest recht haben«, sagte Lovén. »Wenn es nun aber ein anderer war?«
»Natürlich. Es kann auch ein anderer gewesen sein.«
Sie fuhren nach Kungsholmen zurück, während die Techniker ihre Arbeit fortsetzten. Als sie Lovéns Büro betraten, klingelte das Telefon. In einem Blechkasten in Hallunda hatten die Techniker Tränengasgranaten vom selben Typ gefunden, wie er im Falle der Diskothek in Söder vergangene Woche angewendet worden war.
»Alles paßt zusammen«, seufzte Lovén. »Oder auch nichts. Ich begreife nicht, was er gegen diese Diskothek hatte? Auf alle Fälle haben wir landesweit Alarm. Und wir werden auch verstärkt über Zeitungen und Fernsehen gehen.«
»Dann kann ich ja morgen nach Ystad zurückfliegen. Wenn ihr Konovalenko gefunden habt, dürfen wir ihn uns wohl mal nach Schonen ausborgen.«
»Es macht einem immer zu schaffen, wenn so eine Aktion schiefgeht«, sagte Lovén nachdenklich. »Ich frage mich, wo zum Teufel sie sich verstecken.«
Die Frage blieb im Raum stehen. Wallander kehrte in sein Hotel zurück und beschloß, die Diskothek Aurora am Abend noch einmal zu besuchen. Nun hatte er neue Fragen, die er dem Glatzkopf an der Bar stellen wollte.
Er hatte das Gefühl, einer Entscheidung näher zu kommen.
|260| 17
Der Mann, der auf einem Stuhl vor dem Arbeitszimmer Präsident de Klerks saß, hatte lange gewartet.
Es war bereits nach Mitternacht, und er saß schon seit acht Uhr abends da. Er war völlig allein in dem schwach beleuchteten Vorzimmer. Ein Bürodiener schaute dann und wann herein und bedauerte, daß er immer noch ausharren mußte. Es war ein älterer Mann im dunklen Anzug. Er war es auch gewesen, der kurz nach elf alle Lichter außer der Stehlampe ausgeschaltet hatte.
Georg Scheepers sagte sich, daß der Mann auch sehr gut bei einem Bestattungsunternehmen arbeiten könnte. Seine Ruhe und Diskretion, seine an Unterwerfung grenzende Dienstbarkeit erinnerten ihn an den Mann, der vor ein paar Jahren das Begräbnis seiner Mutter organisiert hatte.
Ein symbolisches Gleichnis, das möglicherweise sehr stimmig ist, dachte Scheepers. Vielleicht verwaltet Präsident de Klerk die letzten aussterbenden Reste des weißen südafrikanischen Imperiums. Vielleicht ist das hier eher das Wartezimmer eines Mannes, der in seinem Büro sitzt und ein Begräbnis plant, statt sein Land in die Zukunft zu führen.
Während der vier Stunden des Wartens hatte er jede Menge Zeit gehabt, um nachzudenken. Ab und zu hatte der Diener lautlos die Tür geöffnet und bedauernd erklärt, der Präsident sei immer noch mit dringenden Angelegenheiten beschäftigt. Um zehn hatte er ihm eine Tasse lauwarmen Tee serviert.
Georg Scheepers überlegte, warum man ihn wohl an diesem Abend, dem 7. Mai, zu Präsident de Klerk gerufen hatte. Am Tag zuvor, um die Mittagszeit, hatte er einen Anruf vom Sekretär seines Chefs Henrik Wervey erhalten. Georg
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