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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Johannesburg zurück. Er brachte Judith nach Hause und fuhr nach dem Frühstück ins Zentrum zum Gebäude der Staatsanwaltschaft. Die Stadt war verlassen. Er hatte das Gefühl, sie sei plötzlich geräumt worden und die Leute würden nie wiederkehren. Die bewaffneten Wächter ließen ihn ein, und er ging über die hallenden Korridore zu seinem Arbeitszimmer.
    Als er eintrat, merkte er sofort, daß jemand dagewesen war. Kleine, kaum merkliche Veränderungen zeugten von dem Besuch. Vermutlich das Reinigungspersonal, dachte er. Aber sicher konnte er nicht sein.
    Ich fange an, mich von meinem Auftrag anstecken zu lassen, sagte er sich. Van Heerdens Unruhe, seine ständige Angst, überwacht, bedroht zu werden, hat nun auch mich erreicht.
    Er schüttelte die Gedanken ab, zog das Jackett aus und öffnete den Dokumentenschrank. Dann schob er die erste Diskette ein.
    Zwei Stunden später hatte er das Material sortiert. Van Heerdens Dateien verrieten nichts Bemerkenswertes. Das Auffallendste war die minutiöse Ordnung, die in seiner Arbeit herrschte.
    Übrig blieb eine letzte Diskette.
    Georg Scheepers schaffte es nicht, die Datei zu öffnen. Instinktiv ahnte er, daß er es hier mit van Heerdens heimlichem |357| Testament zu tun hatte. Auf dem Monitor blinkte die Aufforderung, das Codewort einzugeben, dann würde die Diskette die Türen zu ihren vielen geheimen Kammern öffnen. Es geht nicht, dachte Scheepers. Der Code besteht aus einem beliebigen Wort, das ich nicht kenne. Ich könnte die Disketten durch ein Programm laufen lassen, das eine komplette Wortliste enthält. Aber ist der Code nun auf englisch oder
afrikaans
? Aber eigentlich glaubte er nicht daran, daß die Lösung im systematischen Durchprobieren einer Wortliste liegen konnte. Van Heerden hätte seine kostbarste Diskette nicht mit einem nichtssagenden Codewort verschlüsselt, sondern bewußt ein besonderes Rätsel gewählt.
    Scheepers krempelte die Hemdsärmel hoch, schenkte sich aus der mitgebrachten Thermoskanne eine Tasse Kaffee ein und begann, die losen Zettel noch einmal durchzugehen. Er befürchtete, van Heerden könnte die Diskette so programmiert haben, daß sie ihren Inhalt nach einer bestimmten Anzahl mißglückter Versuche, ihr das unbekannte Paßwort zu entlocken, von selbst löschte. Es ist wie der Versuch, eine altertümliche Festung zu erobern, dachte er. Die Zugbrücke ist hochgezogen, der Wallgraben voll Wasser. Bleibt nur ein Weg, der, die Mauern zu ersteigen. Irgendwo sind Stufen eingehauen. Und danach suche ich. Nach einer ersten Stufe.
    Um zwei Uhr nachmittags war er noch keinen Schritt weiter. Seine Laune verschlechterte sich, inzwischen nahm er es van Heerden beinahe übel, daß er sein Schloß nicht öffnen konnte.
    Nach weiteren zwei Stunden war er bereit aufzugeben. Er hatte keine Ideen mehr, wie er die Datei öffnen konnte. Die ganze Zeit fühlte er auch noch, daß er dem richtigen Wort nicht einmal näherkam. Van Heerdens Wahl des Codes basierte auf Voraussetzungen, die er noch nicht erkannt hatte. Ohne große Erwartungen zu hegen, vertiefte er sich noch einmal in die Denkschriften und Untersuchungsberichte, die er von Kommissar Borstlap erhalten hatte. Vielleicht war hier eine Spur zu finden? Mit Widerwillen las er das Obduktionsprotokoll und schloß die Augen, als die Fotografien des Toten vor ihm lagen. Er dachte, daß es trotz allem ein gewöhnlicher Raubmord gewesen sein |358| konnte. Der umständlich formulierte Bericht über die polizeilichen Ermittlungen lieferte ihm keinen Anhaltspunkt. Er widmete sich nun der persönlichen Denkschrift.
    Ganz hinten in Borstlaps Aktenordner lag ein Inventarverzeichnis über die Gegenstände, die die Polizei in seinem Arbeitszimmer beim Nachrichtendienst gefunden hatte. Kommissar Borstlap hatte ironisch kommentiert, es sei gewiß nicht auszuschließen, daß van Heerdens Vorgesetzte Papiere und Dinge entfernt hatten, die der Polizei nicht in die Hände fallen sollten. Zerstreut überflog er die Liste, die Aschenbecher, gerahmte Fotos der Eltern, einige Lithographien, eine Schreibtischgarnitur und verschiedene Kalender enthielt. Er wollte das Schreiben gerade beiseite legen, da stutzte er. Im Inventarverzeichnis hatte Borstlap eine kleine Skulptur aus Elfenbein verzeichnet, die eine Antilope darstellte. Sehr teuer, antik, hatte er dazu notiert.
    Scheepers legte das Schriftstück zur Seite und tippte »Antilope« ein. Der Computer beharrte darauf, das richtige Paßwort zu erfahren. Er dachte eine

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