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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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mit hastig hingekritzelten Notizen. Er entzifferte sie langsam und mit großer Mühe, die schwer lesbare Handschrift ließ ihn an einen Schullehrer denken, an Entwürfe zu Gedichten. Lyrische Impressionen, Skizzen zu Metaphern und Bildern. Und gerade da, als er versuchte, den informellen Teil der Arbeit van Heerdens zu verstehen, begann er zu ahnen, daß etwas geschehen würde. Die Berichte, die Denkschriften und die losen Aufzeichnungen   – Götterverse nannte er sie im stillen – reichten viele Jahre zurück. Zu Beginn waren es oft exakte Beobachtungen und Reflexionen, nüchtern und wertungsfrei formuliert. Sechs Monate vor dem Tod van Heerdens jedoch änderte sich ihr Charakter. Es war, als schleiche sich ein anderer, düsterer Tonfall in seine Gedanken. Etwas ist geschehen, dachte Scheepers. In seiner Arbeit oder im Privatleben hat sich etwas dramatisch verändert. Van Heerden begann, sich mit anderen Gedanken auseinanderzusetzen. Das vorher Sichere wurde plötzlich ungewiß, die klaren Formulierungen tastend, zweifelnd. Außerdem meinte er, noch einen anderen Unterschied festzustellen. Früher fehlte es den losen Zetteln an einem inneren Zusammenhang. Nun aber notierte van Heerden das Datum, manchmal sogar die Uhrzeit. Scheepers konnte sehen, daß van Heerden viele lange Abende an seinem Schreibtisch zugebracht hatte. Der überwiegende Teil der |355| Aufzeichnungen war nach Mitternacht entstanden. Das Ganze entwickelte sich allmählich zu einem poetisch ausgeformten Tagebuch, dachte er. Er versuchte, einen roten Faden zu finden, von dem er ausgehen konnte. Da van Heerden sein Privatleben niemals berührte, nahm er an, daß er ausschließlich über berufliche Ereignisse schrieb. Es gab keine konkreten Angaben, die ihm helfen konnten. Van Heerden benutzte in seinem Tagebuch Synonyme und Gleichnisse. Heimatland war selbstverständlich eine Umschreibung für Südafrika. Aber wer war das Chamäleon? Wer waren die Mutter und das Kind? Van Heerden war nicht verheiratet. Er habe keine näheren Verwandten gehabt, hieß es in einem persönlichen Memorandum, das Kommissar Borstlap von der Johannesburger Polizei im Auftrag Scheepers verfaßt hatte. Scheepers gab die Namen in seinen Computer ein und versuchte vergeblich, Zusammenhänge herauszufinden. Van Heerdens Sprache entglitt einem, als habe er selbst nicht fassen wollen, was er notierte. Eine drohende Gefahr schwingt mit, dachte Scheepers immer wieder. Ein Geständnis. Van Heerden ist einer Sache auf die Spur gekommen. Sein ganzes Weltbild schien plötzlich bedroht. Er schrieb über ein Totenreich und schien zu meinen, daß wir es in uns tragen. Er hatte Visionen eines Zusammenbruchs. Gleichzeitig ließ sich ein Gefühl des Schuldbewußtseins und der Sorge ahnen, das sich in den letzten Wochen vor van Heerdens Tod dramatisch verstärkte.
    In seinen Aufzeichnungen ging es die ganze Zeit um die Schwarzen, die Weißen, die Buren, Gott und die Vergebung, stellte Scheepers fest. Worte wie Verschwörung oder Konspiration verwendete er jedoch nirgends. Das, wonach ich suchen soll, worüber van Heerden Präsident de Klerk informierte, steht gar nicht im Text. Warum?
    Am Donnerstag abend, am Tag bevor er und Judith nach Nwanetsi reisen sollten, blieb er lange in seinem Büro sitzen. Er hatte außer der Schreibtischleuchte alle Lampen ausgeschaltet. Ab und zu hörte er durch die angeklappten Fenster, wie sich draußen die Wächter unterhielten.
    Pieter van Heerden war der loyale Diener, dachte er. In seiner Arbeit im immer mehr gespaltenen, immer eigenmächtiger |356| handelnden Nachrichtendienst war er einem Geheimnis auf die Spur gekommen. Einer Konspiration gegen den Staat. Einer Verschwörung, deren Ziel es war, auf die eine oder andere Weise einen Staatsstreich vorzubereiten. Van Heerden war intensiv damit beschäftigt, das Zentrum der Verschwörung auszumachen. Es gab viele Fragen. Und van Heerden schrieb Gedichte über seine Unruhe und das Totenreich, das er in sich trug.
    Scheepers betrachtete seinen Dokumentenschrank. Dort hatte er die Disketten eingeschlossen, die Wervey gegen Quittung von van Heerdens Vorgesetzten übernommen hatte. Dort mußte auch die Lösung liegen. Van Heerdens immer verworrenere und introvertierte Grübeleien, die auf den losen Zetteln festgehalten waren, konnten nur ein Teil des Ganzen sein. Die Wahrheit mußte auf seinen Disketten zu finden sein.
    Am frühen Sonntag morgen des 17.   Mai kehrten sie aus dem Krüger-Nationalpark nach

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