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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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ersten Besuch. An diesem Abend jedoch brauchte er nicht zu warten. |363| Punkt zehn Uhr teilte der Bedienstete mit, daß der Präsident ihn nun empfangen werde. Als Scheepers den Raum betrat, hatte er dasselbe Gefühl wie beim letzten Mal. Präsident de Klerk wirkte sehr müde. Seine Augen waren glanzlos, das Gesicht bleich. Die schweren Tränensäcke schienen ihn zu Boden zu ziehen.
    So kurz wie möglich berichtete Scheepers über seine Entdeckungen vom Tag zuvor. Das Haus in Bezuidenhout Park erwähnte er jedoch vorerst nicht.
    Präsident de Klerk lauschte mit halbgeschlossenen Augen. Als Scheepers fertig war, blieb de Klerk reglos sitzen. Einen Moment lang glaubte Scheepers, der Präsident sei während seines Vortrages eingeschlafen.
    Dann schlug de Klerk die Augen auf und musterte ihn. »Ich wundere mich oft, wie es kommt, daß ich immer noch am Leben bin«, sagte er langsam. »Tausende Buren betrachten mich als Verräter. Dennoch wird in den Berichten Nelson Mandela als das Opfer eines geplanten Attentats benannt.«
    Scheepers sah, daß Präsident de Klerk konzentriert nachdachte.
    »Etwas an dem Bericht beunruhigt mich«, fuhr er nach einer Weile fort. »Nehmen wir an, es gibt falsche Spuren, die an geeigneten Stellen gelegt wurden. Denken wir uns zwei alternative Situationen. Die eine, daß ich, der Präsident des Landes, das vorgesehene Opfer bin. Ich möchte, daß Sie den Bericht unter diesem Gesichtspunkt lesen, Scheepers. Außerdem bitte ich Sie, die Möglichkeit zu überdenken, diese Menschen könnten beabsichtigen, gegen uns beide vorzugehen, gegen meinen Freund Mandela und mich selbst. Ich schließe keineswegs aus, daß diese Verrückten wirklich Mandela im Visier haben. Ich will nur, daß Sie besonders kritisch lesen. Pieter van Heerden wurde ermordet. Das bedeutet, es gibt Augen und Ohren überall. Die Erfahrung hat mich gelehrt, daß das Auslegen falscher Spuren ein wichtiger Teil der Arbeit des Nachrichtendienstes ist. Haben Sie alles verstanden?«
    »Ja«, antwortete Scheepers.
    »Ich erwarte Ihre Ergebnisse innerhalb von zwei Tagen. Mehr Zeit kann ich Ihnen leider nicht geben.«
    |364| »Ich glaube immer noch, daß Pieter van Heerdens Erkenntnisse darauf hinweisen, daß Nelson Mandela getötet werden soll«, sagte Scheepers.
    »Sie glauben? Ich glaube an Gott. Aber ob es den überhaupt gibt, weiß ich nicht. Auch nicht, ob es vielleicht mehr als einen gibt.«
    Diese Erwiderung ließ Scheepers verstummen. Er hatte jedoch verstanden, was de Klerk meinte. Der Präsident hob die Hände und ließ sie wieder auf die Tischplatte fallen.
    »Ein Komitee«, sagte er nachdenklich. »Das zunichte machen will, was wir aufzubauen versuchen. Eine vernünftige Abwicklung der bisherigen Politik, die fehlgeschlagen ist. Sie versuchen, unser Land in eine Sintflut zu stürzen. Und das darf ihnen nicht gelingen.«
    »Natürlich nicht«, meinte Scheepers.
    De Klerk versank wieder in seine Gedanken. Scheepers wartete schweigend.
    »Jeden Tag rechne ich damit, daß ein verrückter Fanatiker zu mir vordringt«, sagte er nachdenklich. »Ich denke daran, was meinem Vorgänger Verwoerd geschehen ist. Getötet im Parlament, durch einen Messerstich. Ich rechne damit, daß das wieder geschehen kann. Es schreckt mich nicht. Was mir dagegen angst macht, ist, daß es gerade jetzt kaum jemanden gibt, der meine Nachfolge antreten könnte.«
    De Klerk betrachtete Scheepers mit einem schwachen Lächeln. »Sie sind noch jung. Aber derzeit hängt die Zukunft dieses Landes von zwei alten Männern ab, von Mandela und mir. Deshalb wäre es gut, wenn wir beide noch eine Weile am Leben bleiben könnten.«
    »Sollte man nicht Mandelas Personenschutz kräftig verstärken?« fragte Scheepers.
    »Nelson Mandela ist ein ganz besonderer Mann«, erwiderte de Klerk. »Er mag Leibwächter nicht besonders. Das haben hervorragende Männer so an sich. Nehmen Sie nur de Gaulle. Deshalb muß das Ganze sehr diskret geschehen. Aber ich habe natürlich angewiesen, daß seine Bewachung verstärkt wird. Es ist jedoch nicht nötig, daß er davon weiß.«
    |365| Die Audienz war vorüber.
    »Zwei Tage«, erinnerte de Klerk noch einmal. »Nicht mehr.«
    Scheepers stand auf und verbeugte sich.
    »Noch etwas«, sagte de Klerk. »Sie sollten nicht vergessen, was mit van Heerden geschehen ist. Seien Sie vorsichtig.«
    Erst als Georg Scheepers die Regierungskanzlei verlassen hatte, wurde ihm bewußt, was Präsident de Klerk gesagt hatte. Auch über ihn wachten

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