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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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zur Hauptstraße und bog nach rechts ab. Als er an die Abzweigung nach Kåseberga kam, stellte er das Fahrrad hinter einer Baracke ab, die dem Televerk gehörte, zog sich in den Schatten zurück und wartete. Der Nebel war gleichmäßig dicht. Plötzlich fuhr ein Polizeiauto in Richtung Sandhammaren vorüber. Wallander glaubte Peters hinter dem Lenkrad zu erkennen.
    Er dachte an Sten Widén. Es war über ein Jahr her, seit sie sich zuletzt getroffen hatten. Im Zusammenhang mit einer Ermittlung war Wallander der Einfall gekommen, ihn auf seinem Gestüt nahe der Burgruine von Stjärnsund zu besuchen. Dort trainierte er eine Anzahl Galopp-Pferde. Er lebte allein, trank vermutlich zuviel und zu oft und hatte unklare Beziehungen zu seinen weiblichen Angestellten. Einst hatten sie einen gemeinsamen Traum gehabt. Sten Widén sang einen guten Bariton. Er wollte Opernsänger werden, Wallander sein Impresario. Aber |370| der Traum glitt ihnen aus den Händen, ihre Freundschaft verblaßte, um schließlich beinahe zu vergehen.
    Dennoch ist er vielleicht der einzige richtige Freund, den ich je hatte, dachte Wallander, während er im Nebel wartete. Abgesehen von Rydberg. Aber das war etwas anderes. Wir wären einander niemals nähergekommen, wenn wir nicht beide Polizisten gewesen wären.
    Nach vierzig Minuten glitt der weinrote Duett durch den Nebel heran. Wallander kam hinter der Baracke hervor und stieg ein. Sten Widén betrachtete sein Gesicht, blutbefleckt, schmutzig. Aber er zeigte wie immer kein Erstaunen.
    »Ich berichte später«, sagte Wallander.
    »Wann du willst«, erwiderte Sten Widén. Ein Zigarillo hing ihm unangezündet im Mundwinkel, er roch nach Alkohol.
    Sie kamen am Übungsgelände vorbei. Wallander kroch in sich zusammen und machte sich unsichtbar. Am Straßenrand standen viele Polizeiwagen. Sten Widén bremste, hielt aber nicht an. Die Straße war frei, es gab keine Absperrungen. Er sah zu Wallander hinüber. Aber er sagte nichts. Sie passierten Ystad, Skurup und nahmen die linke Abfahrt nach Stjärnsund. Der Nebel war immer noch unverändert dicht, als sie auf den Hof des Gestüts fuhren. Ein etwa siebzehnjähriges Mädchen stand gähnend und rauchend vor dem Stall.
    »Man hat mein Gesicht in Presse und Fernsehen gebracht«, erklärte Wallander. »Ich will am liebsten anonym bleiben.«
    »Ulrika liest keine Zeitungen. Wenn sie den Fernseher einschaltet, dann nur, um Videos zu gucken. Ich habe noch ein Mädchen, Kristina. Sie sagt auch nichts.«
    Sie gingen in das verwahrloste, chaotische Haus. Wallander hatte das Gefühl, daß sich seit seinem letzten Besuch nichts verändert hatte. Sten Widén fragte, ob er hungrig sei. Wallander nickte, und sie setzten sich in die Küche. Er aß ein paar Stullen und trank Kaffee. Dann und wann verschwand Widén in den angrenzenden Raum. Immer, wenn er zurückkam, war der Alkoholgeruch stärker.
    »Danke, daß du mich abgeholt hast.«
    Sten Widén zuckte die Schultern. »Nichts zu danken.«
    |371| »Ich brauche ein paar Stunden Schlaf. Dann werde ich dir alles erzählen.«
    »Ich muß mich um die Pferde kümmern. Du kannst hier drinnen schlafen.«
    Er stand auf, und Wallander folgte ihm. Nun spürte er, wie müde er war.
    Sten Widén zeigte ihm einen kleinen Raum, in dem ein Sofa stand. »Ich bin nicht sicher, ob ich saubere Laken habe. Aber eine Decke und ein Kopfkissen kannst du kriegen.«
    »Das ist mehr als genug.«
    »Du weißt, wo das Bad ist?«
    Wallander nickte. Er erinnerte sich.
    Er zog die Schuhe aus. Auf dem Fußboden knirschte Sand. Die Jacke warf er über einen Stuhl. Dann legte er sich hin. Sten Widén stand in der Tür und sah ihm zu.
    »Wie geht es dir?« fragte Wallander.
    »Ich habe wieder zu singen begonnen.«
    »Davon mußt du mir erzählen.«
    Sten Widén verließ das Zimmer. Wallander hörte draußen auf dem Hof ein Pferd wiehern. Bevor er einschlief, dachte er, daß Sten Widén sich nicht verändert hatte. Dieselben strubbeligen Haare, dasselbe trockene Ekzem im Nacken.
    Dennoch hatte sich etwas verändert.
     
    Als er aufwachte, wußte er zuerst nicht, wo er war. Er hatte Kopfschmerzen, der ganze Körper tat ihm weh. Er befühlte seine Stirn und stellte fest, daß er Fieber hatte. Er lag ruhig unter der Decke, die nach Pferd roch. Als er auf die Uhr sehen wollte, merkte er, daß er sie in der Nacht verloren haben mußte. Er stand auf und ging hinaus in die Küche. Eine Wanduhr zeigte an, daß es halb zwölf war. Er hatte über vier Stunden

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