Wallander 03 - Die weisse Löwin
antwortete nicht. Tania begriff, daß etwas schiefgegangen war. Konovalenko fuhr zu schnell. Er wirkte gehetzt, irgend etwas hatte ihn aus der gewohnten Ruhe gebracht.
Bereits da wurde Tania klar, daß Vladimir tot war. Aber sie sagte nichts, sie brach erst zusammen, als sie in das Haus kamen, wo Sikosi Tsiki auf einem Stuhl saß und sie ausdruckslos anstarrte. Da begann sie zu schreien. Konovalenko schlug sie, erst waren es Ohrfeigen, dann langte er härter zu. Aber sie schrie weiter, bis er sie zwingen konnte, starke Beruhigungstabletten einzunehmen, in einer Dosis, die sie sofort einschlafen ließ. Sikosi Tsiki saß die ganze Zeit reglos da und sah ihnen zu. Konovalenko hatte das Gefühl, auf einer Bühne zu stehen, mit Sikosi Tsiki als dem einzigen, aber aufmerksamen Zuschauer. Als Tania in dem Grenzland zwischen Tiefschlaf und Bewußtlosigkeit versunken war, wechselte Konovalenko die Kleider und goß sich ein Glas Wodka ein. Daß Victor Mabasha endlich tot war, gab ihm nicht die Befriedigung, die er erwartet hatte. Es |377| löste die unmittelbaren praktischen Probleme, nicht zuletzt in seinem diffizilen Verhältnis zu Jan Kleyn. Aber er wußte, daß Wallander nicht lockerlassen würde.
Er würde nicht aufgeben, er würde die Spur erneut aufnehmen.
Konovalenko trank noch ein Glas Wodka.
Der Afrikaner, der da sitzt, ist wie ein Tier, das kein Geräusch macht. Er sieht mich unablässig an, nicht freundlich, nicht unfreundlich, er schaut nur. Er sagt nichts, er fragt nichts. So würde er tagelang sitzen, wenn man es von ihm forderte.
Konovalenko hatte ihm jedoch nichts zu sagen. Denn mit jeder Minute kam Wallander näher. Jetzt war seine eigene Initiative erforderlich. Die Vorbereitung des eigentlichen Auftrags, des Attentats in Südafrika, mußte noch warten.
Er kannte Wallanders Schwachpunkt. Dort wollte er ansetzen. Aber wo hielt sich die Tochter auf? Irgendwo in der Nähe, vermutlich in Ystad. Jedoch nicht in der Wohnung.
Es dauerte eine Stunde, bis er die Lösung gefunden hatte. Es war ein Plan mit vielen Risiken. Aber er hatte eingesehen, daß es gegen den außergewöhnlichen Provinzpolizisten keine einfachen Strategien gab.
Da Tania der Schlüssel zu seinem Plan war und noch viele Stunden schlafen würde, konnte er nur warten. Aber er vergaß keinen Augenblick, daß Wallander da draußen in Nebel und Dunkelheit war und immer näher kam.
»Ich weiß, daß der kräftige Mann nicht zurückkommt«, sagte Sikosi Tsiki plötzlich. Seine Stimme war sehr tief; er sprach englisch mit einem singenden Tonfall.
»Er hat einen Fehler gemacht«, erwiderte Konovalenko. »Er war zu langsam. Er bildete sich vielleicht ein, es gäbe ein Zurück. Aber das gibt es nicht.«
Mehr sagte Sikosi Tsiki nicht in dieser Nacht. Er erhob sich und ging in sein Zimmer. Konovalenko dachte, daß ihm Jan Kleyns Ersatzmann trotz allem besser gefiel. Er würde es am nächsten Abend erwähnen, wenn er mit Südafrika telefonierte.
Er allein blieb wach. Die Gardinen waren zugezogen, und er füllte sein Glas mit Wodka.
Kurz vor fünf Uhr morgens legte er sich schlafen.
|378| Tania kam am Samstag, dem 16. Mai, kurz vor ein Uhr zum Polizeigebäude von Ystad. Sie war immer noch benommen, sowohl vom Schock über Vladimirs Tod als auch von den Beruhigungsmitteln, die Konovalenko ihr gegeben hatte. Aber sie war auch entschlossen. Wallander hatte ihren Mann getötet, der Polizist, der sie in Hallunda besucht hatte. Konovalenko hatte Vladimirs Tod auf eine Weise beschrieben, die mit dem, was im Nebel tatsächlich geschehen war, in keiner Weise übereinstimmte. Für Tania wurde Wallander zu einem Monster unbeherrschter, sadistischer Grausamkeit. Vladimirs wegen würde sie in der Rolle auftreten, die Konovalenko ihr zugedacht hatte. Es würde einen Augenblick geben, da es möglich wäre, ihn zu töten.
Sie betrat den Empfangsraum des Polizeigebäudes. Eine Frau hinter der Glasscheibe lächelte sie an. »Kann ich helfen?«
»Ich möchte einen Einbruch in meinen Wagen anzeigen«, erklärte Tania.
»Ach je. Ich werde sehen, ob ich jemanden finde, der Sie empfangen kann. Das ganze Haus steht heute kopf.«
»Ich verstehe«, sagte Tania. »Es ist ja schlimm, was man so hört.«
»Ich habe nie gedacht, daß Ystad einmal so etwas erleben würde«, sagte die Frau vom Empfang. »Aber man soll eben nie sicher sein.«
Sie versuchte es mit verschiedenen Anschlüssen. Schließlich antwortete jemand. »Martinsson? Kannst du einen Autoeinbruch
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