Wallander 03 - Die weisse Löwin
haben. Und ich fuhr einfach los. Ich kam nach Kapstadt und blieb drei Wochen, dann hatte ich genug. Ich bin geflohen und zurückgekehrt. Danach kamen die Pferde, als Vater starb.«
»Geflohen?«
»Wie sie die Schwarzen behandelten! Ich schämte mich. In ihrem eigenen Land liefen sie mit gesenktem Kopf herum und baten um Verzeihung, daß es sie gab. Das war das Schlimmste, was ich da erlebt habe. Ich werde es nie vergessen.«
Er wischte sich den Mund ab und ging hinaus. Wallander dachte über seine Worte nach. Dann wurde ihm klar, daß er bald zur Polizei nach Ystad fahren mußte.
Er ging in das Zimmer, in dem das Telefon stand. Dort fand er, was er suchte, eine halbleere Whiskyflasche. Er schraubte den Verschluß ab und nahm einen ordentlichen Schluck, dann noch einen. Durch das Fenster sah er Sten Widén auf einem Braunen vorbeireiten.
Erst ist eingebrochen worden, dachte er. Dann sprengen sie meine Wohnung in die Luft. Was kommt als nächstes?
Er legte sich wieder aufs Sofa und zog die Decke bis zum Kinn. Das Fieber hatte er sich vielleicht eingebildet, die Kopfschmerzen waren vergangen. Bald mußte er wieder auf den Beinen sein.
Victor Mabasha war tot. Konovalenko hatte ihn erschossen. Der Mordfall Louise Åkerblom zog weitere Opfer nach sich. Er sah keinen Ausweg. Wie sollten sie Konovalenko je erwischen?
Nach einer Weile schlief er ein. Erst vier Stunden später wachte er auf.
Sten Widén saß in der Küche und las in einer Abendzeitung. »Du wirst gesucht«, sagte er.
Wallander sah ihn verständnislos an. »Wer?«
|375| »Du. Du wirst gesucht. Landesweiter Alarm wurde ausgelöst. Außerdem kann man zwischen den Zeilen herauslesen, daß du vorübergehend geistig verwirrt bist.«
Wallander griff sich die Zeitung. Ein Foto zeigte ihn gemeinsam mit Björk.
Sten Widén hatte keinen Scherz gemacht. Man fahndete nach ihm, nach ihm und Konovalenko. Außerdem wurde er verdächtigt, nicht ganz zurechnungsfähig zu sein.
Wallander sah Sten Widén entsetzt an. »Ruf meine Tochter an«, stieß er hervor.
»Das habe ich bereits getan. Und ich habe ihr gesagt, daß du nach wie vor sehr wohl bei Verstand bist.«
»Hat sie dir geglaubt?«
»Ja, hat sie.«
Wallander saß wie versteinert. Dann entschied er sich. Er würde die Rolle spielen, die sie ihm zugewiesen hatten. Ein Kriminalkommissar aus Ystad, zeitweise aus dem Gleichgewicht geraten, verschwunden und gesucht. Das gab ihm, was er vor allem brauchte.
Zeit.
Als Konovalenko Wallander im Nebel am Meer entdeckte, auf dem Gelände, wo die Schafe weideten, erkannte er verwundert, daß er auf einen ebenbürtigen Gegner gestoßen war. Es war genau in dem Augenblick, als Victor Mabasha nach hinten fiel und starb, ehe er den Boden erreicht hatte. Konovalenko vernahm ein Gebrüll aus dem Nebel, er drehte sich um; gleichzeitig ging er in Deckung. Und da sah er ihn, den übergewichtigen Provinzpolizisten, der ihn immer wieder herausgefordert hatte. Konovalenko begriff jetzt, daß er ihn unterschätzt hatte. Er registrierte, wie Rykoff von zwei Kugeln getroffen wurde, die ihm den Brustkorb aufrissen. Den toten Afrikaner als Schutzschild nutzend, zog sich Konovalenko in Richtung Strand den Hang hinunter zurück. Er wußte, daß Wallander ihm folgen würde. Er würde nicht aufgeben, und jetzt war klar, daß er ein gefährlicher Gegner war.
Konovalenko rannte den Strand entlang durch den Nebel. Im |376| Laufen rief er über sein Mobiltelefon Tania an. Sie wartete mit dem Auto am Marktplatz von Ystad. Er erreichte die Umzäunung des Übungsgeländes, wandte sich in Richtung Straße und entdeckte ein Schild, auf dem Kåseberga stand. Über Telefon dirigierte er Tania aus Ystad herbei, indem er ständig Kontakt mit ihr unterhielt. Immer wieder ermahnte er sie, vorsichtig zu fahren. Er ließ nichts darüber verlauten, daß Vladimir tot war. Das würde sie noch früh genug erfahren. Immer wieder spähte er über die Schulter. Wallander war irgendwo in der Nähe, und er war gefährlich, der erste schonungslose Schwede, den er je getroffen hatte. Gleichzeitig war er sich nicht sicher. Wallander war doch nur ein Provinzpolizist. Etwas an seinem Auftreten stimmte nicht.
Tania kam, Konovalenko übernahm das Steuer, und sie fuhren zurück zum Haus in der Nähe von Tomelilla.
»Wo ist Vladimir?« fragte sie.
»Er kommt später«, antwortete Konovalenko. »Wir mußten uns trennen. Ich hole ihn später ab.«
»Und der Afrikaner?«
»Tot.«
»Und der Polizist?«
Er
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