Wallander 03 - Die weisse Löwin
aus demselben Material errichtet. Sie hockte sich neben die Tür, die aus einer grob zurechtgeschnittenen Hartfaserplatte bestand. »Geh hinein. Ich warte hier.«
Scheepers trat ein. Zuerst fiel es ihm schwer, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Dann nahm er einen einfachen Holztisch, ein paar Sprossenstühle und eine qualmende Petroleumlampe wahr. Aus dem Schatten löste sich ein Mann und betrachtete ihn mit einem schwachen Lächeln. Scheepers schätzte, daß sie etwa gleichaltrig waren. Aber der Mann vor ihm war kräftiger, trug einen Bart und strahlte eine Würde aus, wie sie Scheepers auch bei Miranda und Matilda bemerkt hatte. »Georg Scheepers«, sagte der Mann und lachte kurz auf. Dann wies er auf einen der Stühle.
»Was ist denn so lustig?« fragte Scheepers. Es fiel ihm schwer, seine wachsende Unsicherheit zu verbergen.
»Nichts«, sagte der Mann. »Du kannst mich Steve nennen.«
|437| »Du weißt, warum ich dich treffen will«, sagte Scheepers.
»Nicht mich willst du treffen«, erklärte der Mann, der sich Steve nannte. »Du willst jemanden treffen, der dir Dinge über Jan Kleyn erzählen kann, die du noch nicht weißt. Zufällig bin ich das. Es hätte aber auch jemand anders sein können.«
»Können wir zur Sache kommen?« Scheepers wurde ungeduldig.
»Weiße Menschen haben immer so wenig Zeit. Ich habe nie verstanden, warum das so ist.«
»Jan Kleyn«, sagte Scheepers.
»Ein gefährlicher Mann«, sagte Steve. »Jedermanns Feind, nicht nur unserer. Die Raben schreien in der Nacht. Und wir lauschen ihnen und deuten ihre Botschaft. Etwas ist im Gange, etwas, was Chaos schaffen kann. Und das wollen wir nicht. Weder der ANC noch de Klerk. Deshalb mußt du mir erst geben, was du hast. Danach können wir vielleicht gemeinsam in einige der dunkelsten Ecken leuchten.«
Scheepers berichtete nicht alles, wohl aber das Wichtigste, und bereits das war ein Risiko. Er wußte nicht, mit wem er sprach. Dennoch war er gezwungen, es zu tun.
Steve hörte zu, strich sich dabei langsam über das Kinn. »So weit ist es also gekommen«, sagte er, als Scheepers fertig war. »Wir haben darauf gewartet. Aber wir glaubten, daß irgendein verrückter Bure zuerst versuchen würde, den Hals des Verräters de Klerk abzuschneiden.«
»Ein Berufskiller«, sagte Scheepers. »Ohne Gesicht, ohne Namen. Aber er könnte bereits früher einmal in Erscheinung getreten sein, irgendwo im Umkreis von Jan Kleyn. Die Raben, von denen du gesprochen hast, sollten noch aufmerksamer lauschen. Der Mann kann weiß sein oder schwarz. Ich habe eine Quelle, die darauf hindeuten könnte, daß er viel Geld bekommen wird. Eine Million Rand, vielleicht mehr.«
»Er müßte zu identifizieren sein«, meinte Steve. »Jan Kleyn nimmt nur die Besten. Wenn es ein Südafrikaner ist, schwarz oder weiß, werden wir ihn finden.«
»Ihn finden und aufhalten. Und töten. Wir müssen zusammenarbeiten.«
|438| »Nein«, erklärte Steve. »Wir treffen uns jetzt, aber das bleibt das einzige Mal. Wir gehen von zwei Richtungen aus, sowohl in diesem Fall als auch in Zukunft. Etwas anderes ist nicht möglich.«
»Warum nicht?«
»Wir teilen unsere Geheimnisse nicht. Alles ist immer noch zu ungewiß, zu unsicher. Wir vermeiden jeden Pakt und alle Verabredungen, die nicht absolut notwendig sind. Vergiß nicht, daß wir Feinde sind. Und der Krieg in unserem Land dauert schon lange, obwohl ihr das nicht einsehen wollt.«
»Wir sehen die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln«, sagte Scheepers.
»Ja, genau das tun wir.«
Das Gespräch hatte nicht länger als ein paar Minuten gedauert. Steve stand auf, und Scheepers wurde klar, daß das Treffen vorüber war.
»Es gibt ja Miranda«, sagte Steve. »Durch sie kannst du meine Welt erreichen.«
»Ja, sie gibt es. Dieses Attentat darf nicht stattfinden.«
»Richtig, aber ich glaube, ihr müßt es in die Hand nehmen. Immer noch seid ihr es, die über die Möglichkeiten verfügen. Ich habe nichts. Nur eine Blechhütte. Und Miranda. Und Matilda. Stell dir vor, was passiert, wenn das Attentat gelingt.«
»Ich will mir das lieber nicht vorstellen.«
Steve sah ihn einen Augenblick lang schweigend an. Dann verschwand er durch die Tür, ohne sich zu verabschieden. Scheepers folgte ihm hinaus in die grelle Sonne. Wortlos geleitete ihn Matilda zum Auto. Wieder saß er auf dem Rücksitz, die Mütze über das Gesicht gezogen. Im Dunkeln überlegte er schon, was er Präsident de Klerk sagen würde.
Präsident de Klerk hatte
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