Wallander 03 - Die weisse Löwin
Tasche zog und sofort bezahlte.«
Wallander war inzwischen neugierig geworden. Für einen Augenblick vergaß er seine eigene Misere und konzentrierte sich ganz auf Jörgensens Bericht. Er nickte ihm aufmunternd zu.
|522| »Ich bin in jungen Jahren zur See gefahren«, fuhr Jörgensen fort. »Dort habe ich recht gut Englisch gelernt. Ich fragte den Mann, was er in Schweden vorhätte. Er antwortete, er wolle Freunde besuchen. Ich erkundigte mich, wie lange er bleiben wolle, und er sagte, er würde in spätestens einem Monat nach Afrika zurückkehren. Ich hatte wohl den Verdacht, daß nicht alles mit rechten Dingen zuging. Es war ja eine illegale Einreise. Da aber im nachhinein nichts zu beweisen ist, riskier ich, es Ihnen zu erzählen.«
Wallander hob die Hand. »Ein bißchen genauer, bitte. An welchem Tag war das?
Jörgensen beugte sich vor und schaute auf Wallanders Tischkalender. »Mittwoch, 13. Mai. Gegen sechs Uhr abends.«
Das könnte stimmen, dachte Wallander. Das könnte Victor Mabashas Nachfolger gewesen sein.
»Er sagte, er würde ungefähr einen Monat bleiben?«
»Ich glaube.«
»Sie glauben?«
»Ich bin sicher.«
»Erzählen Sie weiter. Lassen Sie kein Detail aus.«
»Wir unterhielten uns über dies und das. Er war freundlich und gesprächig. Aber ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, daß er trotzdem irgendwie auf der Hut war. Ich kann es nicht besser erklären. Wir erreichten Limhamn. Ich legte an, und er sprang an Land. Da ich mein Geld ja schon vorab bekommen hatte, machte ich gleich wieder los, um zurückzufahren. Ich hätte die Sache wahrscheinlich vergessen, wenn mir neulich nicht eine alte schwedische Abendzeitung in die Hände gefallen wäre. Auf der ersten Seite war ein Foto, und der Mann darauf kam mir bekannt vor. Er soll bei einem Feuergefecht mit der Polizei getötet worden sein.«
Er machte eine kurze Pause. »Mit Ihnen. Von Ihnen gab es auch ein Bild.«
»Von wann war die Zeitung?« fragte Wallander, obwohl er es eigentlich schon wußte.
»Ich glaube, es war eine Donnerstagszeitung«, antwortete Jörgensen zögernd. »Sie kann vom Tag danach gewesen sein. Vom 14. Mai.«
|523| »Erzählen Sie weiter, das können wir später klären, falls es wichtig ist.«
»Ich habe diese Fotografie wiedererkannt. Aber ich konnte mich erst nicht richtig erinnern. Vorgestern dann kam ich darauf, wer es war. Als ich diesen Afrikaner in Limhamn an Land setzte, stand da ein wahnsinnig fetter Kerl am Kai und wartete auf ihn. Er hielt sich ein wenig abseits, als wolle er eigentlich nicht gesehen werden. Aber ich habe gute Augen. Der war es. Dann habe ich überlegt. Ich dachte, daß es vielleicht wichtig sein könnte. Also habe ich mir einen Tag freigenommen und bin hergefahren.«
»Das haben Sie richtig gemacht. Ich werde ignorieren, daß Sie an einer illegalen Einreise nach Schweden beteiligt waren. Ich setze voraus, daß Sie damit ab sofort aufhören.«
»Das habe ich bereits getan«, versicherte Jörgensen eifrig.
»Diesen Afrikaner, beschreiben Sie ihn«, sagte Wallander.
»Ungefähr dreißig. Gut gewachsen, stark und sportlich.«
»Sonst nichts?«
»Kann mich nicht erinnern.«
Wallander legte den Stift weg. »Gut, daß Sie gekommen sind.«
»Vielleicht ist es ja nicht so wichtig.«
»Es ist durchaus wichtig.« Er erhob sich. »Vielen Dank, daß Sie gekommen sind und es mir erzählt haben.«
»Gleichfalls danke«, sagte Jörgensen und ging.
Wallander suchte die Kopie des Briefes heraus, den er per Fax an Interpol in Südafrika hatte schicken lassen. Er überlegte einen Augenblick. Dann rief er die schwedische Interpol in Stockholm an.
»Kommissar Wallander, Ystad«, meldete er sich. »Ich habe am Samstag, dem 23. Mai, ein Fax an Interpol in Südafrika geschickt. Nun wüßte ich gern, ob es darauf irgendwelche Reaktionen gegeben hat.«
»Wenn, dann wären sie Ihnen sofort zugesandt worden«, bekam er zur Antwort.
»Bitte prüfen Sie es sicherheitshalber noch einmal nach.«
Nach ein paar Minuten meldete sich der Teilnehmer wieder. »Ein Fax, Umfang eine Seite, wurde am 23. Mai an Interpol |524| Johannesburg geschickt. Es kam bisher lediglich die Bestätigung des Empfangs.«
Wallander runzelte die Stirn. »Eine Seite, ich habe doch zwei absenden lassen.«
»Die Kopie liegt hier vor mir. Es fehlt tatsächlich ein ordentlicher Abschluß der Nachricht.«
Wallander sah auf seine Unterlagen. Wenn nur die erste Seite übermittelt worden war, wußte die südafrikanische
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