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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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dachte, es handle sich um einen Sicherheitsbeamten, der die Umgebung des Stadions kontrollierte. Da er so etwas erwartet hatte, wunderte er sich nicht weiter. Schlimmer wäre es, wenn Hunde zum Einsatz kämen. Der Mann, der da den Hang hinaufstieg, war jedoch allein. Sikosi Tsiki schmiegte sich an den Boden und entsicherte eine Pistole mit Schalldämpfer. Als der Mann umkehrte, ohne den Gipfel erklettert zu haben, wußte er, daß nun nichts mehr schiefgehen würde. Nelson Mandela hatte nur noch wenige Stunden zu leben.
    Im Stadion hatten sich bereits viele Leute versammelt. Scheepers und Borstlap schoben sich durch die wogende Menschenmasse. Überall dröhnten Trommeln, sangen und tanzten Menschen. Scheepers lief es kalt den Rücken hinunter bei dem Gedanken, daß sie es nicht schaffen würden. Sie mußten den Mann finden, den Jan Kleyn beauftragt hatte, Nelson Mandela zu töten.
    Eine weitere Stunde später, dreißig Minuten bevor die eigentliche Kundgebung mit Mandelas Ankunft im Stadion beginnen sollte, geriet Scheepers in Panik.
    Borstlap versuchte, ihn zu beruhigen.
    »Wir haben ihn nicht gefunden. Jetzt haben wir nur noch wenig Zeit für die Suche. Die Frage ist, was wir übersehen haben können.«
    Er schaute sich um. Sein Blick konzentrierte sich auf den Berghang außerhalb des Stadions.
    »Ich bin dort gewesen«, sagte Scheepers.
    »Was hast du gesagt?« fragte Borstlap.
    »Ach, nichts.«
    |536| Borstlap nickte nachdenklich. Nun glaubte auch er, daß sie den Attentäter nicht rechtzeitig erwischen würden.
    Schweigend standen sie nebeneinander und ließen sich vom Menschenstrom hin und her schieben.
    »Ich versteh das nicht«, sagte Borstlap.
    »Das ist zu weit«, ließ sich Scheepers noch einmal vernehmen.
    Borstlap sah ihn fragend an. »Was meinst du? Was ist zu weit?«
    »Kein Mensch kann ein Ziel auf so große Entfernung treffen«, antwortete Scheepers irritiert.
    Es dauerte einen Moment, bis Borstlap begriff, daß Scheepers immer noch von dem Berg in der Nähe des Stadions sprach. Dann wurde er plötzlich ernst. »Erzähl mir genau, was du getan hast«, sagte er und wies auf den Hang.
    »Ich bin ein Stück hinaufgeklettert und dann wieder umgekehrt.«
    »Du bist also nicht auf dem Gipfel von Signal Hill gewesen?«
    »Ich sag doch, es ist zu weit!«
    »Das ist überhaupt nicht zu weit«, rief Borstlap. »Es gibt Gewehre, die schießen über einen Kilometer weit und treffen ihr Ziel! Und das hier sind doch höchstens achthundert Meter!«
    Scheepers sah ihn fragend an. Gleichzeitig erhob sich ein orkanartiger Jubel der tanzenden Menschenmenge, gefolgt von intensivem Getrommel. Nelson Mandela war ins Stadion gekommen. Scheepers konnte sein grauweißes Haar, sein lächelndes Gesicht und die winkende Hand erkennen.
    »Komm!« rief Borstlap. »Wenn er da ist, dann dort oben auf dem Berg!«
     
    Durch sein starkes Zielfernrohr konnte Sikosi Tsiki Nelson Mandela aus der Nähe betrachten. Er hatte das Fernrohr vom Gewehr abgenommen und den Weg des AN C-Führers verfolgt, seit dieser vor dem Stadion aus dem Auto gestiegen war. Sikosi Tsiki stellte fest, daß Mandela nur von wenigen Leibwächtern umgeben war. Eine auffällige Wachsamkeit oder Unruhe im Umkreis des fast weißhaarigen Mannes konnte er nicht beobachten.
    |537| Er montierte das Zielfernrohr wieder ans Gewehr, kontrollierte, ob es geladen war, und begab sich in die Position, die er sorgsam ausgewählt hatte. Vor sich hatte er ein Gestell aus Leichtmetall aufgebaut, eine Eigenkonstruktion, die seinen Armen zusätzlichen Halt gab.
    Er warf einen Blick zum Himmel. Die Sonne würde ihm keine unerwarteten Störungen bescheren, keine Schatten, Reflexe oder Blendungen. Der Berghang war menschenleer. Er war ganz allein mit seiner Waffe und ein paar Vögeln, die auf dem Boden umherhüpften.
    Noch fünf Minuten. Der Jubel aus dem Stadion erreichte ihn mit ganzer Kraft, obwohl er über einen halben Kilometer entfernt war.
    Keiner wird den Schuß hören, dachte er.
    Er hatte zwei Reservepatronen. Sie lagen vor ihm auf einem Taschentuch. Aber er rechnete nicht damit, sie zu benötigen. Er würde sie zur Erinnerung aufheben. Vielleicht ließ er sich eines Tages ein Amulett daraus machen? Das würde seinem Leben auch weiterhin Glück bringen.
    Dagegen vermied er es, an das Geld zu denken, das auf ihn wartete. Erst würde er seinen Auftrag erfüllen.
    Er hob das Gewehr und beobachtete durch das Fernrohr, wie Nelson Mandela sich dem Rednerpult näherte. Er war

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