Wallander 03 - Die weisse Löwin
verschwinden. »Nein«, sagte er. »Aber wir müssen schnellstens Kontakt zu ihm aufnehmen. Wissen Sie vielleicht, wo er wohnt?«
»Klar weiß ich, wo er wohnt. In Lomma. Aber er ist nicht zu Hause.«
»Wo ist er denn?«
»Auf La Palma. Morgen kommt er aber zurück. Die Maschine landet früh um zehn in Kopenhagen. Ich glaube, er fährt mit Spies-Reisen.«
»Prima«, sagte Wallander. »Wenn Sie mir seine Adresse und Telefonnummer geben könnten, wäre ich dankbar.«
|114| Der Wunsch wurde erfüllt, er entschuldigte sich für die Störung und beendete das Gespräch. Dann rannte er zu Svedberg. Auf dem Wege holte er schnell noch Martinsson ab. Niemand wußte, wo Björk sich aufhielt.
»Wir fahren selbst nach Malmö«, entschied Wallander. »Die Kollegen in der Stadt können uns helfen. Bewachung mit Paßkontrolle an allen ankommenden Fähren. Das muß Björk organisieren.«
»Hat sie gesagt, wie lange er weg war?« fragte Martinsson. »Wenn er eine Wochenreise hatte, heißt das, daß er seit vergangenem Donnerstag unterwegs ist.«
Sie sahen sich an. Es war klar, was Martinssons Hinweis bedeutete.
»Ich meine, ihr solltet jetzt nach Hause gehen«, sagte Wallander. »Morgen müssen wenigstens ein paar von uns ausgeruht sein. Wir treffen uns morgen früh hier, um acht. Dann fahren wir nach Malmö.«
Martinsson und Svedberg fuhren heim. Wallander redete mit Björk, der versprach, seinen Kollegen in Malmö anzurufen und sich um die von Wallander gewünschten Maßnahmen zu kümmern.
Viertel nach sechs rief Wallander im Krankenhaus an. Der Arzt konnte nur vage Antworten geben. »Der Körper weist keine sichtbaren Verletzungen auf. Keine blauen Flecken, keine Frakturen. Oberflächlich gesehen scheint es auch kein Sexualverbrechen gewesen zu sein. Aber da will ich mich noch nicht festlegen. Ich finde keine Spuren an den Hand- oder Fußgelenken.«
»Das ist gut«, sagte Wallander. »Vielen Dank erst mal. Ich laß morgen wieder von mir hören.«
Dann verließ er das Polizeigebäude.
Er fuhr nach Kåseberga hinaus, setzte sich eine Weile auf die Anhöhe und schaute über das Meer.
Kurz nach neun war er zu Hause.
|115| 7
Im Morgengrauen, kurz bevor er erwachte, hatte Kurt Wallander einen Traum.
Er hatte entdeckt, daß eine seiner Hände schwarz war.
Aber es war kein schwarzer Handschuh. Es war die Haut. Sie war dunkler geworden, so daß die Hand der eines Afrikaners glich.
Im Traum hatte Wallander zwischen Reaktionen des Entsetzens und der Zufriedenheit geschwankt. Rydberg, sein früherer Kollege, der nun seit fast zwei Jahren tot war, hatte die Hand mißbilligend betrachtet. Er hatte Wallander gefragt, warum nur die eine schwarz war.
»Etwas muß noch morgen geschehen«, hatte Wallander im Traum geantwortet.
Als er erwachte und sich an den Traum erinnerte, war er im Bett liegengeblieben und hatte über die Antwort nachgedacht, die er Rydberg gegeben hatte. Was hatte er eigentlich gemeint?
Dann war er aufgestanden und hatte durch das Fenster gesehen, daß der 1. Mai dieses Jahr in Skåne wohl ein wolkenloser und sonniger, aber auch sehr windiger Tag werden würde. Es war sechs Uhr.
Obwohl er nur zwei Stunden geschlafen hatte, fühlte er sich nicht müde. An diesem Morgen sollten sie erfahren, ob Stig Gustafson für den Freitag nachmittag der vergangenen Woche, an dem Louise Åkerblom höchstwahrscheinlich ermordet wurde, ein Alibi hatte.
Wenn wir das Verbrechen bereits heute aufklären, ist es erstaunlich einfach gegangen, dachte er. Zuerst hatten wir tagelang keine Spur. Dann ging alles sehr schnell. Eine Ermittlung folgt selten dem Rhythmus des Alltags. Sie hat ihr eigenes Leben, ihre eigene Bewegung. Die Zeit kann dabei durcheinandergeraten, stillstehen oder davonrasen. Das kann man vorher nie wissen.
|116| Sie trafen sich Punkt acht Uhr im Versammlungsraum, und Wallander ergriff das Wort. »Es gibt keine Veranlassung für uns, die dänische Polizei einzuschalten. Wenn wir uns auf seine Halbschwester verlassen können, wird Stig Gustafson mit einem Scanair-Flug um zehn in Kopenhagen landen. Svedberg, das kannst du kontrollieren. Er hat dann drei Möglichkeiten, nach Malmö zu gelangen. Über Limhamn, mit den Flugbooten oder mit dem SA S-Luftkissenfahrzeug . Wir werden alle Wege überwachen.«
»Ein alter Schiffsmaschinist nimmt wohl die große Fähre«, sagte Martinsson.
»Vielleicht hat er gerade genug davon«, gab Wallander zu bedenken. »Wir werden an jedem Posten zu zweit sein. Er muß
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