Wallander 03 - Die weisse Löwin
sagen?«
»Geht es um die Louise Åkerblom, die ich kenne?« fragte Stig Gustafson.
Wallander merkte, daß der Mann jetzt Angst hatte. »Ja. Sie haben sie bei den Methodisten kennengelernt.«
»Ist sie ermordet worden?«
»Ja.«
»Das ist ja schrecklich!«
Wallander hatte im selben Augenblick das Gefühl, daß hier etwas falsch war, verdammt falsch. Stig Gustafsons Aufregung schien durch und durch echt zu sein. An und für sich wußte Wallander aus Erfahrung, daß es für die schlimmsten Verbrechen Täter gab, die vollkommen glaubwürdig ihre Unschuld beteuerten.
Dennoch bohrten Zweifel in ihm.
War er einer Spur gefolgt, die von Anfang an kalt war?
|119| »Ich muß wissen, was Sie am vergangenen Freitag gemacht haben«, sagte Wallander. »Fangen Sie mit dem Nachmittag an.«
Die Antwort überraschte ihn. »Ich war bei der Polizei«, sagte Stig Gustafson.
»Bei der Polizei?«
»Ja, bei der Polizei. In Malmö. Ich wollte doch am nächsten Tag nach La Palma fliegen. Und ich hatte gemerkt, daß mein Paß abgelaufen war. Ich war bei der Polizei in Malmö, um mir einen neuen Paß ausstellen zu lassen. Als ich hinkam, war die Abfertigung bereits geschlossen. Aber die waren freundlich und halfen mir trotzdem. Punkt vier Uhr erhielt ich meinen Paß.«
Im Innersten stand für Wallander in diesem Augenblick fest, daß Stig Gustafson aus dem Spiel war. Aber es war, als wollte er sich nicht einfach so ergeben. Sie mußten diesen Mordfall so schnell wie möglich lösen. Außerdem wäre es ein klarer Fehler im Dienst gewesen, sich im Verhör von seinen Gefühlen steuern zu lassen.
»Ich hatte am Bahnhof geparkt und ging in die Kneipe«, fuhr Stig Gustafson fort.
»Kann jemand bezeugen, daß Sie am Freitag gleich nach vier in die Kneipe gegangen sind?«
Stig Gustafson dachte nach.»Ich weiß nicht«, antwortete er schließlich. »Ich habe allein dagesessen. Vielleicht erinnert sich jemand von der Bedienung an mich? Aber ich gehe sehr selten in die Kneipe. Ich bin nicht gerade ein bekanntes Gesicht, sozusagen.«
»Wie lange waren Sie da?«
»Eine Stunde vielleicht. Länger nicht.«
»Ungefähr bis halb sechs? Stimmt das?«
»Ungefähr, ja. Ich wollte noch zum Systembolag und Schnaps kaufen, bevor er zumachte.«
»Welche Filiale?«
»Die hinterm ›NK‹-Kaufhaus. Ich weiß nicht, wie die Straße heißt.«
»Und dahin sind Sie gegangen?«
»Ich habe nur ein paar Bier gekauft.«
»Kann das jemand bezeugen?«
|120| Stig Gustafson schüttelte den Kopf. »Der Verkäufer hatte einen roten Bart«, erinnerte er sich. »Aber vielleicht habe ich den Kassenzettel noch. Es steht ja ein Datum darauf.«
»Erzählen Sie weiter«, sagte Wallander und nickte.
»Dann holte ich den Wagen«, sagte Stig Gustafson. »Ich wollte draußen bei Jägersro, im ›B&W‹-Supermarkt, eine Reisetasche kaufen.«
»Gibt es dort jemanden, der Sie wiedererkennen könnte?«
»Ich habe ja gar keine Tasche gekauft«, antwortete Stig Gustafson. »Sie waren zu teuer. Ich beschloß, noch eine Weile meine alte zu benutzen. Es war eine Enttäuschung.«
»Was haben Sie dann gemacht?«
»Ich hab da draußen bei ›McDonald’s‹ einen Hamburger gegessen. Aber dort servieren ja nur Halbwüchsige. Die können sich doch bestimmt an nichts erinnern, oder?«
»Junge Menschen haben oft ein gutes Gedächtnis«, sagte Wallander und dachte an eine Bankangestellte, die ihm vor einigen Jahren in dieser Hinsicht eine große Hilfe war.
»Ich erinnere mich übrigens an eine andere Sache«, sagte Stig Gustafson plötzlich. »Die passierte, als ich in der Kneipe war.«
»Was?«
»Ich ging runter zur Toilette. Dort unterhielt ich mich eine Weile mit einem Typen. Er beklagte sich, daß es keine Papierhandtücher zum Händeabtrocknen gab. Er war ein bißchen betrunken. Aber nicht sehr. Er sagte, er heiße Forsgård und habe ein Blumengeschäft in Höör.«
Wallander schrieb mit. »Wir werden dem nachgehen«, sagte er. »Kehren wir erst mal zu ›McDonald’s‹ in der Nähe von Jägersro zurück. Inzwischen muß es halb sieben gewesen sein.«
»Das könnte stimmen.«
»Was haben Sie dann gemacht?«
»Ich fuhr zu Nisse, und wir spielten Karten.«
»Wer ist Nisse?«
»Ein alter Zimmermann, mit dem ich viele Jahre auf See war. Er heißt Nisse Strömgren. Wohnt in der Föreningsgata. Wir spielen ab und zu Karten. Ein Spiel, das wir im Fernen Osten gelernt haben. Es ist sehr kompliziert. Aber unterhaltsam.«
|121| »Wie lange sind Sie dort gewesen?«
»Es
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