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Wallander 03 - Die weisse Löwin

Wallander 03 - Die weisse Löwin

Titel: Wallander 03 - Die weisse Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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ursprünglich den Auftrag erteilt hatte.
    Das Ganze hatte begonnen, als Nelson Mandela nach fast dreißigjährigem Gefängnisaufenthalt auf Robben Island freigelassen wurde. Für Jan Kleyn, Franz Malan und alle anderen rechtgläubigen Buren kam das einer Kriegserklärung gleich. Präsident de Klerk hatte sein eigenes Volk verraten, die Weißen in Südafrika. Das Apartheidsystem würde abgeschafft werden, wenn nichts Entscheidendes geschah. Eine Anzahl Buren in höheren Positionen, unter ihnen Jan Kleyn und Franz Malan, hatte erkannt, daß freie Wahlen unweigerlich zu einer schwarzen Mehrheitsregierung führen würden. Und das war für sie gleichbedeutend mit einer Katastrophe, einem Urteilsspruch gegen das Recht des auserwählten Volkes, Südafrika nach Gutdünken zu regieren. Sie hatten viele alternative Aktionen diskutiert, bis schließlich die Entscheidung gefallen war.
    Das war vor vier Monaten. Sie hatten sich im selben Haus getroffen, das der südafrikanischen Armee gehörte und für Konferenzen und geheime Treffen genutzt wurde. Offiziell unterhielten weder der Nachrichtendienst noch das Militär Kontakte |142| zu geheimen Organisationen. Ihre Loyalität galt formell der derzeitigen Regierung und der Verfassung. Aber in Wirklichkeit war es anders. Wie in der großen Zeit der Bruderschaft hatten Jan Kleyn und Franz Malan Verbindungen überall in der südafrikanischen Gesellschaft. Die Operation, die sie nun für das geheime Komitee bis ins kleinste geplant hatten und die in Gang gesetzt werden konnte, basierte auf einer Allianz aus Mitgliedern des Oberkommandos der südafrikanischen Armee, der gegen den ANC opponierenden Inkatha-Bewegung und angesehenen Unternehmern und Bankiers.
    Sie hatten im selben Raum wie jetzt gesessen, an dem Tisch mit der grünen Filzbespannung, als es plötzlich aus Jan Kleyn herausgebrochen war: »Wer ist derzeit die wichtigste Person in Südafrika?«
    Franz Malan mußte nicht lange überlegen, bis er begriff, wen Jan Kleyn meinte.
    »Machen wir ein gedankliches Experiment«, fuhr Jan Kleyn fort. »Stell dir vor, er wäre tot. Nicht eines natürlichen Todes gestorben. Das würde ihn nur in einen Heiligen verwandeln. Nein, stell dir vor, er wäre ermordet worden.«
    »Das würde in den schwarzen Vorstädten einen Aufruhr in bisher unvorstellbaren Ausmaßen geben. Generalstreik, Chaos. Wir würden international in eine noch stärkere Isolation geraten.«
    »Denk weiter. Sagen wir, es ließe sich beweisen, daß er von einem Schwarzen ermordet wurde.«
    »Das würde die Verwirrung noch steigern. Inkatha und ANC würden einen offenen und rücksichtslosen Krieg gegeneinander führen. Wir könnten uns mit verschränkten Armen genüßlich zurücklehnen und beobachten, wie sie sich mit Hacken und Äxten und Speeren vernichten.«
    »Richtig. Aber denk noch einen Schritt weiter. Wenn nun der Mörder selbst aus dem ANC stammte.«
    »Das würde auch den ANC ins Chaos stürzen. Die Kronprinzen würden einander die Kehlen durchschneiden.«
    Jan Kleyn nickte eifrig. »Richtig. Denk weiter!«
    Franz Malan überlegte einen Augenblick. »Zum Schluß würden sich die Schwarzen gegen die Weißen wenden. Und weil die |143| schwarze politische Bewegung sich dann am Rande des totalen Zusammenbruchs und der Anarchie befände, wären wir gezwungen, die Polizei und die Armee eingreifen zu lassen. Ein kurzer Bürgerkrieg wäre die Folge. Bei guter Planung würde es uns gelingen, alle zu eliminieren, die unter den Schwarzen von Bedeutung sind. Die Welt wäre, ob sie will oder nicht, gezwungen zu akzeptieren, daß es ja die Schwarzen waren, die den Krieg begonnen hätten.«
    Jan Kleyn nickte.
    Franz Malan sah sein Gegenüber forschend an. »Meinst du es ernst?« fragte er langsam.
    »Ernst?«
    »Daß wir ihn umlegen sollten?«
    »Natürlich meine ich es ernst. Der Mann muß vor dem nächsten Sommer liquidiert werden. Ich stelle mir das als Operation Springboek vor.«
    »Warum das?«
    »Alles muß einen Namen haben. Hast du noch nie eine Antilope geschossen? Wenn du richtig triffst, macht das Tier noch einen Sprung, bevor es stirbt. Und diesen Sprung will ich unseren größten Feind tun lassen.«
    Sie hatten bis zum Morgengrauen beieinandergesessen. Franz Malan konnte nur bewundern, wie gründlich sich Jan Kleyn vorbereitet hatte. Der Plan war verwegen, barg aber keine unnötigen Risiken.
    Als sie sich bei Tagesanbruch auf der Veranda die Beine vertraten, war Franz Malan nur noch ein einziger Einwand geblieben.

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