Wallander 03 - Die weisse Löwin
Der Verkehr auf der Autobahn nach Pretoria ließ nach. Victor Mabasha lehnte sich im Sitz zurück und schloß die Augen. Bald würde er erfahren, warum Jan Kleyn seine Meinung, sie sollten sich nie wiedersehen, geändert hatte. Gegen seinen Willen spürte er eine Spannung im Körper. Wenn Jan Kleyn ihn rief, mußte es sehr wichtig sein.
Das Haus stand auf einem Hügel, ungefähr zehn Kilometer vor Hammanskraal. Es war von einem hohen Zaun umgeben, und frei laufende Schäferhunde gaben darauf acht, daß kein Unbefugter eindringen konnte.
In einem Raum voller Jagdtrophäen saßen an diesem Abend zwei Männer und warteten auf Victor Mabasha. Die Vorhänge waren zugezogen, die Bediensteten hatte man nach Hause geschickt. Die beiden Männer saßen sich an einem Tisch gegenüber, der mit grünem Filz bespannt war. Sie tranken Whisky und unterhielten sich leise, als gäbe es trotzdem noch jemanden im Hause, der sie hören könnte.
Einer der Männer war Jan Kleyn. Er war bis zum äußersten abgemagert, als hätte er gerade eine schwere Krankheit hinter sich. Das Gesicht war scharf geschnitten und ließ ihn einem wachsamen Vogel gleichen. Er hatte graue Augen, dünnes blondes Haar, und er trug einen dunklen Anzug, weißes Hemd und Krawatte. Seine Stimme war heiser, seine Ausdrucksweise zurückhaltend, fast zögernd.
|140| Der andere Mann war sein ganzes Gegenteil. Franz Malan war groß und außerdem fett. Der Bauch hing ihm über den Hosenbund, er war rot im Gesicht und schwitzte stark. Es war ein äußerst ungleiches Paar, das an diesem Abend im April 1992 auf Victor Mabasha wartete.
Jan Kleyn schaute auf seine Armbanduhr. »In einer halben Stunde ist er hier.«
»Ich hoffe, du hast recht«, entgegnete Franz Malan.
Jan Kleyn zuckte zusammen, als habe jemand plötzlich eine Waffe auf ihn gerichtet. »Habe ich einen Fehler gemacht?« fragte er. Er sprach immer noch mit leiser Stimme. Aber ein drohender Unterton war nicht zu überhören.
Franz Malan sah ihn nachdenklich an.
»Noch nicht«, antwortete er. »Es war nur ein Gedanke.«
»Du hast die falschen Gedanken«, sagte Jan Kleyn. »Du vergeudest deine Zeit damit, dich unnötigerweise zu beunruhigen. Alles wird wie geplant ablaufen.«
»Ich hoffe es. Meine Vorgesetzten würden ein Kopfgeld auf mich aussetzen, wenn etwas schiefginge.«
Jan Kleyn lächelte ihn an. »Ich würde Selbstmord begehen«, sagte er. »Und ich mache mir nichts daraus, zu sterben. Wenn das, was wir in den letzten Jahren verloren haben, zurückerobert ist, werde ich mich verabschieden. Aber nicht früher.«
Jan Kleyn hatte eine erstaunliche Karriere durchlaufen. Sein kompromißloser Haß auf alle, die mit der Apartheidpolitik Schluß machen wollten, war wohlbekannt oder unbekannt, abhängig vom jeweiligen Blickwinkel. Viele taten ihn als den größten Narren im Burischen Widerstand ab. Aber wer ihn kannte, wußte, daß er ein kalt berechnender Mensch war, dessen Rücksichtslosigkeit ihn jedoch nie übereilte Handlungen begehen ließ. Er pflegte sich selbst als einen Chirurgen der Politik zu beschreiben, mit der Aufgabe, Tumore wegzuoperieren, die ständig den gesunden südafrikanischen Burenkörper bedrohten. Wenige Menschen wußten, daß er einer der am effektivsten arbeitenden Angestellten des Nachrichtendienstes war.
Franz Malan war über zehn Jahre für das südafrikanische Militär, das eine eigene geheime Sicherheitsabteilung unterhielt, |141| tätig gewesen. Zuvor war er als Offizier im Feld gewesen und hatte Geheimoperationen in Südrhodesien und Moçambique geleitet. Mit vierundvierzig Jahren war seine militärische Karriere nach einer Herzattacke vorüber. Wegen seiner Ansichten und Fähigkeiten war er aber unmittelbar zur Sicherheitsabteilung versetzt worden. Seine Aufgaben waren vielfältig, sie reichten vom Anbringen von Autobomben an den Fahrzeugen von Apartheidgegnern bis zur Organisation von Terroraktionen gegen Versammlungen des ANC und dessen Repräsentanten. Auch er war Mitglied des Burischen Widerstands. Er spielte jedoch, wie Jan Kleyn, eine Rolle hinter den Kulissen. Gemeinsam hatten sie den Plan erarbeitet, dessen Verwirklichung an diesem Abend mit der Ankunft von Victor Mabasha beginnen sollte. Tage- und nächtelang hatten sie diskutiert, was getan werden mußte. Schließlich waren sie sich einig geworden. Sie hatten ihren Plan dem geheimen Gremium vorgelegt, das immer nur als »Das Komitee« bezeichnet wurde.
Dieses Komitee war es auch gewesen, das ihnen
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