Wallander 03 - Die weisse Löwin
Südafrikas. Aber noch wichtiger als sein Einsatz für die Sicherheit der Republik war die Rolle van Heerdens als spezieller Informant de Klerks über den Zustand der Nation. Durch Pieter van Heerden erhielt de Klerk regelmäßig Berichte darüber, welche Gedanken im militärischen Oberkommando, im Polizeikorps, in den anderen politischen Parteien |155| und nicht zuletzt innerhalb der eigenen Organisationen der Sicherheitspolizei vorherrschten. Würde sich ein Militärputsch anbahnen, wäre eine Verschwörung geplant, van Heerden wäre stets informiert und damit auch der Präsident. Van Heerden gab de Klerk die Orientierung, welche Kräfte gegen ihn arbeiteten. Van Heerden spielte nach außen hin und in seiner Arbeit bei der Sicherheitspolizei die Rolle eines Mannes, der Präsident de Klerk gegenüber sehr kritisch eingestellt war. Er tat das geschickt, immer ausgewogen, nie übertrieben. Niemand würde ihn verdächtigen können, der persönliche Informant des Präsidenten zu sein.
Es war de Klerk bewußt, daß er mit van Heerdens Hilfe das Vertrauen vor seinem eigenen Kabinett einschränkte. Aber er sah keine andere Möglichkeit, sich die Informationen zu beschaffen, die er als notwendig ansah, um die große Veränderung bewirken zu können, die in Südafrika kommen mußte, wenn eine nationale Katastrophe verhindert werden sollte. Dies stand im Zusammenhang mit der vierten Person, der de Klerk vorbehaltlos vertraute.
Nelson Mandela.
Der Führer des ANC, der Mann, der siebenundzwanzig Jahre auf Robben Island vor Kapstadt gefangen gewesen war, der einst, Anfang der sechziger Jahre zu lebenslanger Haft verurteilt worden war – wegen niemals bewiesener Sabotageaktionen.
Präsident de Klerk hatte sehr wenige Illusionen. Er wußte, daß die einzigen, die einen Bürgerkrieg mit einem grenzenlosen Blutbad verhindern konnten, er selbst und Nelson Mandela waren. Oft war er nachts schlaflos im Präsidentenpalast umhergewandert, hatte über die Lichter der Stadt Pretoria geblickt und daran gedacht, daß die Zukunft der Republik Südafrika durch den politischen Kompromiß bestimmt werden würde, den er und Nelson Mandela hoffentlich zustande brachten.
Mit Nelson Mandela konnte er ganz offen sprechen. Er wußte, daß das auch umgekehrt galt. Als Menschen waren sie in Charakter und Temperament sehr verschieden. Nelson Mandela war eine suchende, philosophisch veranlagte Persönlichkeit, die auf diesem Wege zu der ihr ebenso eigenen Entschlossenheit und |156| praktischen Handlungskraft gelangte. Diese philosophische Dimension fehlte Präsident de Klerk. Er jagte direkt nach einer praktischen Lösung, wenn ein Problem auftauchte. Für ihn bestand die Zukunft der Republik aus wechselnden politischen Realitäten und dem ständigen Entscheiden, was machbar wäre und was nicht. Zwischen diesen beiden Menschen aber, mit so unterschiedlichen Voraussetzungen und Erfahrungen, existierte ein Vertrauen, das nur ein offensichtlicher Betrug hätte zerstören können. Das bedeutete, daß sie auch gegensätzliche Auffassungen niemals voreinander zu verstecken brauchten, daß sie niemals in unnötige Rhetorik verfallen mußten, wenn sie unter vier Augen miteinander sprachen. Aber das bedeutete gleichzeitig, daß sie an zwei verschiedenen Fronten kämpften. Die weiße Bevölkerung war zersplittert, und de Klerk wußte, daß alles zusammenbrechen würde, wenn es ihm nicht gelang, mit Kompromissen, die von einer Mehrheit der Weißen akzeptiert werden konnten, Schritt für Schritt voranzukommen. Die ultrakonservativen Kräfte würde er sowieso nie auf seine Seite bringen, ebensowenig die rassistischen Angehörigen der Offizierskorps in Armee und Polizei. Aber er mußte darauf achten, daß sie nicht zu stark wurden.
Präsident de Klerk wußte, daß Nelson Mandela ähnliche Probleme hatte. Auch die Schwarzen waren in sich gespalten. Nicht zuletzt in die von Zulus dominierte Inkatha-Bewegung und den ANC. Sie verstanden einander, mußten aber die herrschende Uneinigkeit nicht leugnen.
Van Heerden war eine Garantie dafür, daß de Klerk die Informationen erhielt, die er benötigte. Er wußte, daß man seine Freunde in der Nähe halten sollte. Aber den Feind und die Gedanken des Feindes noch näher.
Für gewöhnlich trafen sie sich einmal in der Woche in de Klerks Büro, oft spät am Samstagnachmittag. Diesmal jedoch hatte van Heerden um eine eilige Zusammenkunft gebeten. De Klerk war es erst gar nicht recht gewesen, ihn das Camp besuchen zu
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