Wallander 03 - Die weisse Löwin
öffnete sich plötzlich und ließ die Giftzähne sehen. Seine Übelkeit wuchs, und er fühlte eine Schwäche, als drohe ihm eine Ohnmacht. Schnell lehnte er sich im Stuhl zurück und schloß die Augen.
Eine tote Schlange, dachte er. Aber der Körper zuckt noch, und wer nicht Bescheid weiß, könnte meinen, daß sie noch lebt. Genau so ist es hier, in meinem Land, in Südafrika. Viel von dem Alten, das wir tot und begraben glaubten, lebt weiter. Wir kämpfen nicht nur mit dem und gegen das Lebendige, sondern auch gegen eine zähe Vergangenheit.
|153| Ungefähr jeden vierten Monat nahm Präsident de Klerk seine Minister und einige ausgewählte Sekretäre mit hinaus in ein Camp in Ons Hoop, südlich der Grenze zu Botswana. Sie blieben für gewöhnlich ein paar Tage, und die Reisen erfolgten in aller Öffentlichkeit. Offiziell waren der Präsident und sein Kabinett versammelt, um in der Abgeschiedenheit wichtige Angelegenheiten wechselnder Art zu beraten. De Klerk hatte diese Routine sofort eingeführt, als er sein Amt als Staatschef der Republik angetreten hatte. Nun war er seit fast vier Jahren Präsident, und er wußte, daß ein Teil der wichtigsten Beschlüsse der Regierung am Lagerfeuer von Ons Hoop gefällt worden war. Das Camp war mit Staatsgeldern gebaut worden, und de Klerk hatte keine Schwierigkeit, dessen Existenz zu rechtfertigen. Es war, als könnten er und seine Mitarbeiter freier und vielleicht auch kühner denken, wenn sie unter nächtlichem Himmel am Feuer saßen und den Geruch des ursprünglichen Afrika atmeten. De Klerk hatte manchmal gedacht, daß sich hier ihr Burenblut bemerkbar machte. Freie Männer, stets mit der Natur verbunden, die sich nie an eine neue Zeit hatten gewöhnen können, an vollklimatisierte Arbeitsräume und Autos, die mit kugelsicheren Windschutzscheiben ausgerüstet waren. Hier in Ons Hoop konnten sie die Berge am Horizont genießen, die unendliche Ebene, und nicht zuletzt ein gut zubereitetes
braai.
Sie konnten diskutieren, ohne sich in Zeitdruck fühlen zu müssen, und de Klerk wußte, daß es sich gelohnt hatte.
Pik Botha beobachtete die Schlange, die vom Feuer verzehrt wurde. Dann wendete er den Kopf und sah, daß de Klerk mit geschlossenen Augen dasaß. Er wußte, was das zu bedeuten hatte. Der Präsident wollte allein sein. Er rüttelte den schlafenden Innenminister vorsichtig an der Schulter. Vlok wachte mit einem Ruck auf. Als sie aufstanden, stellte der Staatssekretär schnell seinen Walkman ab und sammelte einige Papiere auf, die unter dem Stuhl lagen.
Als sich die anderen zurückgezogen hatten, blieb Pik Botha noch einen Augenblick stehen, begleitet nur von einem Diener, der eine Lampe trug. Manchmal wollte der Präsident noch |154| ein paar Worte im Vertrauen mit seinem Außenminister wechseln.
»Ich glaube, ich ziehe mich zurück«, sagte Pik Botha.
De Klerk schlug die Augen auf und sah ihn an. Gerade an diesem Abend hatte er nichts mit Botha zu besprechen. »Tu das. Wir brauchen den Schlaf, den wir bekommen können.«
Pik Botha nickte, wünschte eine gute Nacht und verließ den Präsidenten.
Für gewöhnlich blieb de Klerk anschließend noch eine Weile sitzen, um in Gedanken die Diskussionen des Tages und des Abends durchzugehen. Sie waren nach Ons Hoop gefahren, um übergreifende politische Strategien zu diskutieren, keine routinemäßigen Regierungsangelegenheiten. Am Lagerfeuer sprachen sie über Südafrikas Zukunft, über nichts anderes. Hier entwickelten sie die Pläne, das Land umzuwandeln, ohne allzuviel vom Einfluß der Weißen preiszugeben.
Diesmal aber, an diesem Abend des 27. April 1992, wartete de Klerk auf einen Mann, den er allein treffen wollte. Nicht einmal sein Außenminister, sein engster Vertrauter in der Regierung, wußte davon. Er nickte einem der Leibwächter zu, der augenblicklich verschwand. Ein paar Minuten später kehrte er zurück. In seiner Gesellschaft war ein Mann in den Vierzigern, in einen einfachen Khakianzug gekleidet. Er begrüßte de Klerk und ließ sich in einem Liegestuhl in der Nähe des Präsidenten nieder. Gleichzeitig bedeutete de Klerk den Leibwächtern, sich zurückziehen. Er wollte sie in der Nähe haben, jedoch außer Hörweite.
Im Leben des Präsidenten de Klerk gab es vier Menschen, denen er vertraute. Da war zuerst seine Frau. Dann sein Außenminister Botha. Und dann gab es noch zwei Personen. Eine saß jetzt neben ihm. Der Mann hieß Pieter van Heerden und arbeitete beim Nachrichtendienst
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