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Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Titel: Wallander 04 - Der Mann, der lächelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Schuhe aus, ging in die Küche und kochte Kaffee. Durch das Fenster sah er, wie die Straßenlaterne in den kräftigen Windböen schwankte.
    Bald ist wieder Winter, dachte er. Schnee und Chaos und Stürme. Und ich bin wieder Polizist. Das Leben wirft einen hin und her. Wann hat man schon selbst das Steuer in der Hand?
    Lange saß er da und starrte auf die Tasse. Erst als der Kaffee fast kalt war, holte er aus einer Schublade einen Block und einen Stift.
    Jetzt muß ich mich wieder wie ein Polizist benehmen, dachte er. Ich werde für konstruktive Gedanken bezahlt, dafür, daß ich verbrecherische Handlungen aufkläre, und nicht für Grübeleien über meine private Misere.
    Es war bereits Mitternacht, als er den Stift zur Seite legte und den Rücken streckte.
    Dann beugte er sich noch einmal über die Zusammenfassung, die er zu Papier gebracht hatte. Auf dem Boden um seine Füße herum lagen viele zusammengeknüllte Seiten.
    Ich finde kein Muster, dachte er. Es gibt keinen erkennbaren |66| Zusammenhang zwischen dem angeblichen Autounfall und der Tatsache, daß Sten Torstensson zwei Wochen später in seinem Büro erschossen wird. Sten Torstenssons Tod muß nicht einmal Folge dessen sein, was seinem Vater geschehen ist. Es kann sich auch umgekehrt verhalten.
    Er erinnerte sich an zwei Sätze, die Rydberg in seinem letzten Lebensjahr gesagt hatte, als sie sich verzweifelt um die Aufklärung einer Serie von Brandstiftungen bemühten: »Die Ursache kann manchmal nach der Wirkung kommen. Als Polizist mußt du immer bereit sein, beim Denken die Richtung zu wechseln.«
    Er stand auf, ging ins Wohnzimmer hinüber und legte sich aufs Sofa. Ein alter Mann sitzt tot in seinem Wagen, auf einem Acker, an einem Oktobermorgen, begann er in Gedanken von vorn. Er kam von einem Treffen mit einem Klienten und war auf dem Heimweg. Nach einer Routineuntersuchung wird der Fall als Autounglück zu den Akten gelegt. Der Sohn des Toten glaubte jedoch von Anfang an nicht an einen Unfall. Die beiden entscheidenden Gründe sind, daß der Vater bei Nebel niemals schnell fuhr und daß er in der Zeit davor verstört und erregt gewesen war, ohne es zeigen zu wollen.
    Plötzlich schreckte Wallander auf. Er war nun doch einem Muster auf der Spur, besser gesagt, einem Nicht-Muster, einem verfälschten Muster, konstruiert, damit das wirkliche Geschehen verborgen blieb.
    Er verfolgte seinen Gedankengang weiter. Sten Torstensson hatte nicht beweisen können, daß es kein gewöhnlicher Unfall war. Er hatte das Stuhlbein draußen auf dem Acker nicht gesehen, nicht über den kaputten Stuhl im Kofferraum des Wagens seines Vaters nachgedacht. Gerade weil er keine entscheidenden Beweise finden konnte, hatte er sich an Wallander gewandt. Er hatte sich die Mühe gemacht, seinen Aufenthaltsort herauszufinden und zu ihm zu fahren.
    Zu gleicher Zeit hatte er durch eine Ansichtskarte aus Finnland eine falsche Fährte gelegt. Zwei Tage später wird er in seinem Büro erschossen. Kein Zweifel, daß es Mord war.
    Wallander merkte, daß er den Faden verloren hatte. Was er |67| gesehen zu haben meinte, ein Muster, unter dem ein anderes lag, verschwand im Niemandsland.
    Er war müde. Heute nacht kam er nicht weiter. Aus Erfahrung wußte er aber auch, daß die Ahnungen wiederkehren würden, wenn sie von Bedeutung waren.
    Er ging in die Küche, spülte die Kaffeetasse ab und hob die zerknüllten Notizen vom Boden auf.
    Ich muß noch einmal von vorn beginnen, dachte er. Aber wo ist der Anfang? Bei Gustaf oder Sten Torstensson?
    Er legte sich zu Bett, konnte aber trotz seiner Müdigkeit nicht einschlafen. Leise regte sich in ihm das Interesse an den Motiven für Ann-Britt Höglunds Entschluß, sich zur Polizistin ausbilden zu lassen.
    Als er zum letzten Mal auf die Uhr schaute, war es halb drei.
    Kurz nach sechs wachte er auf, müde und zerschlagen, stand aber sofort mit dem unbestimmten Gefühl auf, verschlafen zu haben. Wenige Minuten nach halb acht betrat er das Polizeigebäude und sah erfreut, daß Ebba auf ihrem gewohnten Platz in der Anmeldung saß. Als sie ihn erblickte, sprang sie auf und lief ihm entgegen. Sie war gerührt, und er hatte selbst einen Kloß im Hals.
    »Ich konnte es gar nicht glauben«, sagte sie. »Bist du wirklich zurückgekommen?«
    »Sieht ganz so aus.«
    »Ich glaube, ich heule gleich los.«
    »Tu es nicht. Wir reden später.«
    Er ging weiter, so schnell er konnte. Als er in sein Büro kam, sah er, daß es gründlich gereinigt worden war. Auf dem

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