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Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Wallander 04 - Der Mann, der lächelte

Titel: Wallander 04 - Der Mann, der lächelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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etwas vorgefallen ist. Etwas, was das Unglück verursacht hat oder danach geschah.«
    »Er ist die Strecke oft gefahren; er kannte sie in- und auswendig. Und er fuhr nie schnell.«
    »Wenn ich es richtig verstanden habe, kam er vom Besuch bei einem seiner Klienten.«
    »Von dem Mann auf Farnholm.«
    Wallander wartete vergeblich auf eine Fortsetzung.
    »Der Mann auf Farnholm?« fragte er.
    »Ja, Alfred Harderberg. Der Mann auf Schloß Farnholm.«
    Wallander wußte, daß Schloß Farnholm in einer abgelegenen Gegend auf der Südseite des Linderöd-Bergrückens lag. An dem Weg zum Schloß war er oft vorbeigekommen.
    »Harderberg war der größte Privatkunde der Kanzlei«, fuhr Frau Dunér fort. »In den letzten Jahren war er Gustaf Torstenssons einziger Klient.«
    Wallander notierte sich den Namen auf einem Stück Papier, das er in der Tasche gefunden hatte. »Den Namen habe ich noch nie gehört. Ist das ein Gutsbesitzer?«
    »Gutsbesitzer wird man, wenn man ein Schloß hat. Aber in erster Linie machte er Geschäfte. Große internationale Geschäfte.«
    »Ich werde mich natürlich mit ihm in Verbindung setzen. Er muß eine der letzten Personen gewesen sein, die Gustaf Torstensson lebend getroffen haben.«
    Durch den Briefschlitz fielen Reklamezettel in den Korridor. Wallander sah, wie Frau Dunér zusammenzuckte.
    Drei Menschen, die sich fürchten, dachte er. Aber wovor?
    »Gustaf Torstensson«, versuchte er es von neuem. »Beschreiben Sie ihn mir bitte.«
    »Er war der reservierteste Mensch, den ich in meinem ganzen Leben getroffen habe«, erklärte sie, und Wallander ahnte eine schwache Spur von Aggressivität in ihrer Stimme. »Er ließ niemals jemanden an sich heran. Er war pedantisch, mochte keine Veränderungen. Er war ein Mensch, nach dem man |80| die Uhr stellen konnte, wie man so schön sagt. Für Gustaf Torstensson galt das uneingeschränkt. Er war blutlos wie ein Scherenschnitt, weder freundlich noch unfreundlich, nur langweilig.«
    »Laut Sten Torstensson war er auch ein fröhlicher Mensch«, wandte Wallander ein.
    »Davon habe ich nie etwas gemerkt«, sagte Frau Dunér abweisend.
    »Wie war das Verhältnis von Vater und Sohn?«
    Sie antwortete bestimmt und ohne zu zögern. »Gustaf Torstensson war irritiert, weil sein Sohn versuchte, das Büro zu modernisieren. Und Sten Torstensson meinte natürlich, daß sein Vater in vielerlei Hinsicht eine Belastung war. Aber keiner zeigte es dem anderen. Beide scheuten offene Konflikte.«
    »Bevor Sten Torstensson starb, äußerte er, daß sein Vater in den letzten Monaten irgendwie beunruhigt gewesen sei. Was ist Ihr Kommentar dazu?«
    Diesmal überlegte sie lange, bevor sie antwortete. »Kann sein. Jetzt, wo Sie es sagen. In den letzten Monaten seines Lebens wirkte er wie abwesend.«
    »Haben Sie dafür eine Erklärung?«
    »Nein.«
    »Es ist nichts Besonderes geschehen?«
    »Nein, nichts.«
    »Ich möchte, daß Sie noch einmal in Ruhe nachdenken. Es kann sehr wichtig sein.«
    Sie goß sich etwas Tee nach und überlegte. Wallander wartete. Dann hob sie den Blick und sah ihn an. »Ich kann nicht antworten. Ich habe keine Erklärung.«
    Wallander merkte, daß sie nicht die Wahrheit sagte. Aber er beschloß, sie nicht unter Druck zu setzen. Alles war noch zu unklar und schwebend; die Zeit war noch nicht reif.
    Er schob die Tasse zur Seite und stand auf. »Dann will ich nicht länger stören«, sagte er lächelnd. »Danke für das Gespräch. Aber ich muß Sie vorwarnen; ich werde sicher nochmals kommen.«
    »Natürlich.«
    |81| »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an«, sagte Wallander, als er bereits auf der Straße stand. »Zögern Sie nicht. Die kleinste Kleinigkeit kann wichtig sein.«
    »Ich werde daran denken«, sagte sie und schloß die Tür.
    Wallander setzte sich ins Auto, ohne den Motor anzulassen. Ein Gefühl des Unbehagens hatte ihn ergriffen. Ohne es begründen zu können, ahnte er, daß sich etwas Großes, Schwerwiegendes und Erschreckendes hinter dem Fall der toten Anwälte verbarg.
    Etwas führt uns in die falsche Richtung, dachte er. Ich muß in Betracht ziehen, daß die Ansichtskarte aus Finnland vielleicht keine falsche Spur ist, sondern die richtige.
    Er wollte gerade den Motor starten, als er merkte, daß ihn jemand von der anderen Straßenseite her beobachtete.
    Es war eine junge Frau, kaum älter als zwanzig, eine Asiatin. Als sie sah, daß Wallander auf sie aufmerksam geworden war, lief sie davon. Wallander sah im Rückspiegel, wie

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