Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
war. Åkeson meldete sich sofort. In kurzen Zügen informierte ihn Wallander über die neuen Zusammenhänge, die bedeuteten, daß Alfred |208| Harderberg auf eine ganz andere Art ins Zentrum der Ermittlungen rückte. Der Staatsanwalt hörte schweigend zu.
Als Wallander fertig war, stellte er eine einzige Frage: »Glaubst du wirklich, daß sich diese Version als haltbar erweist?«
Wallander antwortete, ohne zu zögern: »Ja. Ich glaube, hier liegt die Antwort.«
»Dann habe ich natürlich nichts dagegen, die Untersuchung zu vertiefen. Aber keine Verlautbarungen an die Massenmedien ohne meine ausdrückliche Genehmigung! Was wir am wenigsten brauchen, ist eine Olof-Palme-Situation hier in Ystad.«
Wallander wußte, was Åkeson meinte. Der ungeklärte Mord an dem schwedischen Ministerpräsidenten hatte nicht nur die Polizei, sondern auch große Teile der Bevölkerung erschüttert. Allzu viele, innerhalb wie außerhalb des Polizeikorps, wußten, daß der Mord wahrscheinlich deshalb nicht aufgeklärt worden war, weil die Ermittlung in einem frühen Stadium von einem selbstherrlichen und in Fahndungsangelegenheiten unfähigen Polizeichef geleitet wurde. Einer der verhängnisvollsten Fehler der katastrophalen Fahndung war, daß sich die Führung ohne ausreichende Begründung ausschließlich in eine Richtung orientiert hatte. Wallander und Åkeson waren sich also einig.
»Ich hätte dich bei unserer Besprechung heute morgen gern dabei«, sagte Wallander. »Ich möchte nicht, daß die Ermittlungsgruppe geteilt wird. Dadurch würde sich die Möglichkeit verringern, schnell auf die neue Situation zu reagieren.«
»Ich komme«, sagte Per Åkeson. »Ich wollte heute eigentlich Golf spielen. Aber bei diesem Wetter verzichte ich gern.«
»In Uganda ist es bestimmt warm«, sagte Wallander. »Oder war es Sudan?«
»Ich habe noch nicht einmal mit meiner Frau gesprochen«, antwortete Per Åkeson mit gesenkter Stimme.
Nach dem Telefonat trank Wallander eine weitere Tasse Kaffee und rief dann wieder bei Björk an. Diesmal antwortete der Hausherr selbst. Wallander hatte beschlossen, nichts über das |209| zu erzählen, was seinem Besuch auf Schloß Farnholm vorangegangen war. Jedenfalls nicht am Telefon. »Wir müssen uns treffen und eine neue Situation diskutieren. Eine, die unserer Mordermittlung eine andere Richtung gibt.«
»Was ist denn geschehen?« fragte Björk.
»Ich möchte nicht am Telefon darüber reden.«
»Du glaubst doch wohl nicht, daß unsere Leitungen abgehört werden?« fragte Björk. »Gehst du da nicht ein wenig zu weit?«
»Das ist es nicht«, sagte Wallander, der an diese Möglichkeit noch nicht gedacht hatte. Jetzt war es allerdings auch zu spät, etwas dagegen zu unternehmen. Er hatte ja Per Åkeson bereits per Telefon mitgeteilt, worum es ab jetzt gehen würde.
»Ich muß dich kurz sprechen, bevor sich die Ermittlungsgruppe trifft«, sagte er.
»Meinetwegen in einer halben Stunde. Ich verstehe nur nicht, warum du so geheimnisvoll tust.«
»Ich tue nicht geheimnisvoll, aber manchmal ist es besser, wenn man ein Gespräch persönlich und unter vier Augen führt.«
»Das wirkt sehr dramatisch. Ich frage mich, ob wir nicht Per Åkeson hinzuziehen sollten.«
»Ich habe ihn bereits informiert«, sagte Wallander. »Wir sehen uns in einer halben Stunde in deinem Büro.«
Bevor er Björks Zimmer betrat, hatte Wallander allein im Wagen vor dem Polizeigebäude gesessen, um sich zu sammeln. Für einen Augenblick war er schwankend geworden und hatte mit dem Gedanken gespielt, das Ganze auf sich beruhen zu lassen; anderes war wichtiger. Aber er sah ein, daß er Björk klarmachen mußte: Was geschehen war, durfte sich nicht wiederholen. Es würde dann zwangsläufig zu einer Vertrauenskrise kommen, die kaum zu überbrücken wäre. Jetzt hatte er das bestimmte Gefühl, seinen Dienst und seine Integrität als Polizist verteidigen zu müssen. Er nahm sich vor, möglichst bald an Baiba in Riga zu schreiben und ihr von allem zu berichten.
Würde sie verstehen, warum sich alles verändert hatte?
Verstand er es eigentlich selbst?
|210| Er nahm in Björks Besuchersessel Platz.
»Was ist denn nun geschehen?« fragte Björk.
»Ehe ich auf die Ermittlung eingehe, möchte ich eine andere Sache ansprechen«, begann Wallander und merkte, wie unsicher seine Stimme klang.
»Du hast dich doch wohl nicht entschieden, nun doch aufzuhören?«
»Nein. Ich muß nur wissen, warum du auf Schloß Farnholm angerufen und dort
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