Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
angekündigt hast, daß die Polizei von Ystad im Zusammenhang mit einer Morduntersuchung vorsprechen würde. Und ich muß wissen, warum wir, meine Kollegen und ich, nichts davon erfahren haben.«
Wallander sah, daß Björk zwischen Verlegenheit und Verstimmung schwankte. »Alfred Harderberg ist eine bedeutende Persönlichkeit unserer Gesellschaft«, sagte er. »Er ist keiner kriminellen Handlung verdächtig. Es war eine reine Gefälligkeit meinerseits. Darf ich fragen, woher du von diesem Telefongespräch weißt?«
»Sie waren auf meinen Besuch zu gut vorbereitet. Da zieht man seine Schlüsse.«
»Ich kann unter Berücksichtigung aller Umstände nichts Negatives daran finden.«
»Dennoch war es nicht in Ordnung, in mehr als einer Beziehung. Solche Handlungen können zu Verstimmungen in der Ermittlungsgruppe führen. Wir brauchen vor allem Offenheit.«
»Ich gestehe, daß es mir schwerfällt, ausgerechnet von dir Vorwürfe wegen mangelnder Offenheit zu akzeptieren.« Björk konnte seine Wut schwer verbergen.
»Meine Fehler dürfen nicht als Entschuldigung für die anderer herhalten. Jedenfalls nicht für die meines Chefs.«
Björk sprang erregt auf. »Ich verbitte mir, in dieser Weise angegriffen zu werden. Es war eine reine Gefälligkeit, nichts weiter. Ein Routinegespräch, das unter den damaligen Umständen nicht schaden konnte.«
»Die Umstände haben sich geändert«, sagte Wallander, der einsah, daß er so nicht weiterkommen würde. Jetzt mußte er |211| seinen Vorgesetzten so schnell wie möglich über die neue Situation informieren.
Björk starrte ihn von oben herab an, er hatte sich nicht wieder gesetzt. »Drück dich deutlicher aus«, sagte er. »Ich verstehe nicht, was du meinst.«
»Es gibt Hinweise, die darauf hindeuten, daß Alfred Harderberg hinter den Geschehnissen steckt«, sagte Wallander. »Du mußt doch zugeben, daß sich die Umstände damit dramatisch verändert haben.«
Björk setzte sich und schaute Wallander ungläubig an. »Was meinst du?«
»Ich meine, wir haben Grund zu der Annahme, daß Alfred Harderberg direkt oder indirekt mit den Morden an den beiden Anwälten Torstensson zu tun hat. Und mit dem Mordversuch an Frau Dunér. Und mit dem Sprengstoffanschlag in meinem Wagen.«
Björk blickte skeptisch. »Soll ich das wirklich ernst nehmen?«
»Ja. Per Åkeson tut es auch.«
Ohne auf Details einzugehen, gab Wallander Björk eine kurze Zusammenfassung der neuen Erkenntnisse. Als er fertig war, saß Björk mit gesenktem Kopf vor ihm. »Das wäre natürlich äußerst unangenehm, falls sich deine Version als richtig herausstellen sollte.«
»Morde und Sprengstoffattentate sind unangenehm«, sagte Wallander.
»Wir müssen vorsichtig sein. Wir dürfen erst handeln, wenn wir absolut sichere Beweise haben.«
»So halten wir es doch immer. Warum sollten wir diesmal anders verfahren?«
»Ich bin überzeugt, daß wir ins Leere rennen werden«, seufzte Björk und erhob sich zum Zeichen, daß das Gespräch beendet war.
»Kann sein«, sagte Wallander. »Aber auch das Gegenteil ist möglich.«
Es war zehn Minuten nach acht, als er Björks Büro verließ. Er holte Kaffee und schaute in Ann-Britt Höglunds Zimmer, |212| doch sie war noch nicht da. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch und wählte die Telefonnummer des Taxichauffeurs Waldemar Kåge in Simrishamn. Er erreichte ihn über das Autotelefon und erklärte, worum es ging. Kåge nannte ihm ein Postgirokonto und den Betrag von 230 Kronen; Wallander notierte die Zahlen auf einem Zettel. Er überlegte, ob er auch den Spediteur anrufen und ihn überreden sollte, keine Anzeige gegen den Vater wegen Körperverletzung zu erstatten. Aber dann ließ er es. Punkt halb neun würde die Besprechung beginnen. Bis dahin mußte er sich konzentrieren.
Er stellte sich ans Fenster und sah hinaus. Der Himmel war grau, die Luft feucht und kalt. Spätherbst, bald würde der Winter Einzug halten.
Möchte wissen, wo sich Alfred Harderberg gerade aufhält, dachte er. Auf Schloß Farnholm? Oder zehntausend Meter über der Erde, in seinem Privatjet, auf dem Weg zu oder von einem seiner komplizierten Geschäfte? Was habt ihr herausgefunden, Gustaf Torstensson und Lars Borman? Was bedeutet es, wenn Ann-Britt Höglund und ich recht haben, wenn zwei Polizisten aus verschiedenen Generationen, jeder mit seinem Weltbild im Kopf, zu einer gemeinsamen Schlußfolgerung gekommen sind? Und wenn uns diese zur Wahrheit führt?
Punkt halb neun betrat
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