Wallander 04 - Der Mann, der lächelte
über die Macht eines klassischen Fürsten verfügte – und noch keine fünfzig Jahre alt war.
Alles hatte schon am Freitag abend begonnen, als Ann-Britt Höglund von den englischen Kontakten und Robert Maxwells Rolle als Strohmann berichtete. Die Enthüllung, daß der Mann von Schloß Farnholm hinter dem Investmentunternehmen Smeden steckte, rückte ihn aus der Anonymität ins Zentrum der Ermittlungen. Später machte sich Wallander immer wieder Vorwürfe, Alfred Harderberg nicht schon früher verdächtigt zu haben. Warum er es nicht getan hatte, konnte er nie richtig beantworten. Was auch immer er sich selbst einredete, es geriet zu einer Entschuldigung für sein Versäumnis in der ersten Phase der Ermittlung. Er hatte Alfred Harderberg eine unverdiente Immunität eingeräumt, als wäre Schloß Farnholm fremdes Territorium, für das diplomatische Konventionen galten.
Die folgende Woche veränderte alles. Aber sie mußten vorsichtig vorgehen, nicht nur, weil Björk, teilweise mit Per Åkesons Unterstützung, es so forderte, sondern vor allem, weil die Fakten äußerst dürftig waren. Sie wußten, daß Gustaf Torstensson den Mann von Schloß Farnholm in wirtschaftlichen Fragen beraten hatte, aber sie hatten keine Ahnung, womit er |202| sich konkret befaßt, worin seine Aufgabe bestanden hatte, und bisher deutete nichts darauf hin, daß Harderbergs Firmenimperium an Ungesetzlichkeiten beteiligt war. Nun aber hatten sie eine weitere Verbindung entdeckt: Lars Borman und den Betrug an der Bezirksbehörde Malmöhus, der im Jahr zuvor vertuscht worden war. In der Freitagnacht des 5. November, in der Wallander mit Ann-Britt Höglund bis in die Morgenstunden zusammensaß, ging es vor allem um Spekulationen. Aber bereits da begannen sie, ein Modell für die Ermittlungen zu konstruieren. Wenn Alfred Harderberg in den Fall verwickelt war, und Wallander wiederholte dieses Wenn in der folgenden Woche ständig, dann hatte er seine Augen und Ohren überall und beobachtete sie, rund um die Uhr, wo sie auch waren, was sie auch unternahmen. Die Verbindung zwischen Lars Borman, Harderberg und einem der toten Anwälte mußte noch lange nicht bedeuten, daß sie die Lösung in der Hand hielten.
Wallander war auch aus anderen Gründen unschlüssig. Er hatte im loyalen Glauben an die Integrität der schwedischen Wirtschaft gelebt. Die Männer und Frauen der heimischen Großunternehmen waren die Grundfesten des Aufschwungs. Die Exportindustrie als Garant des gesellschaftlichen Wohlstands konnte einfach nicht in Frage gestellt werden. Am wenigsten jetzt, wo der Wohlstandsbau schwankte und die Zwischendecken voller ausgehungerter Ameisen waren. Die Grundfesten mußten gegen Angriffe, egal aus welcher Richtung, verteidigt werden. Aber auch wenn er noch zögerte, war ihm doch klar, daß sie auf der richtigen Spur waren.
»Wir haben eine Verbindung, einen Zusammenhang«, sagte er in der Freitagnacht zu Ann-Britt Höglund. »Aber wir können nicht selbstverständlich davon ausgehen, daß wir damit unseren Täter finden.«
Sie hatten sich mit ihren Kaffeebechern in Wallanders Büro zurückgezogen. Er wunderte sich, daß sie nicht nach Hause gehen mußte, obwohl es doch spät war und sie, im Gegensatz zu ihm, eine Familie hatte, die auf sie wartete. Sie wollte das Gespräch unbedingt fortsetzen, und er wurde daran erinnert, wie er selbst in ihrem Alter reagiert hatte. Sogar in der oft trostlosen |203| Arbeit der Polizei gab es Momente der Inspiration und Spannung, einer beinahe spielerischen Lust, mit denkbaren Alternativen umzugehen.
»Ich weiß, daß es nichts zu bedeuten hat«, sagte sie. »Aber auch ein Schwerverbrecher wie Al Capone wurde durch einen Revisor zur Strecke gebracht.«
»Der Vergleich hinkt«, lachte Wallander. »Du sprichst von einem Gangster, von dem alle wußten, daß er sein Vermögen durch Diebstahl, Schmuggel, Erpressung, Bestechung und Mord erworben hatte. In unserem Falle ist lediglich bekannt, daß ein erfolgreicher schwedischer Unternehmer die Aktienmehrheit an einem dubiosen Investmentunternehmen innehat, welches unter anderem eine Beratungsfirma kontrolliert, über die zwei Gauner einen Coup gegen eine Landesbehörde gestartet haben. Mehr wissen wir nicht.«
»Früher hieß es, daß hinter jedem großen Vermögen ein Verbrechen steckt. Warum nur früher? Welche Zeitung man auch aufschlägt, stets findet man Beispiele dafür, daß es auch heute eher die Regel als die Ausnahme ist.«
»Man findet immer ein
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