Wallander 05 - Die falsche Fährte
nicht.«
»Hast du ihre Telefonnummer?«
»Ich kann sie raussuchen.«
»Mach schon.«
Wallander wartete, während Hjelm das Zimmer verließ. Er konnte flüsternde Stimmen hören, von denen zumindest eine gereizt klang. Hjelm kam zurück und reichte Wallander einen Zettel. Dann begleitete er ihn in den Flur.
Hjelm machte den Eindruck, als sei er nach seinem anfänglichen Höhenflug wieder nüchtern geworden. Dennoch schien er von dem, was seinem Freund zugestoßen war, vollkommen unberührt zu sein. Wallander empfand starken Widerwillen angesichts dieser Gefühlskälte. Sie war ihm unbegreiflich.
»Dieser Irre …«, begann Hjelm, ohne den Satz zu beenden. Wallander verstand die Frage auch so.
»Er hat es auf bestimmte Menschen abgesehen. Wenn du dich nicht selbst in einem Zusammenhang mit Wetterstedt, Carlman und Fredman sehen kannst, brauchst du dir wohl kaum Sorgen zu machen.«
»Warum habt ihr ihn noch nicht gefaßt?«
|298| Wallander starrte Hjelm an. Seine Wut kehrte zurück. »Unter anderem deshalb nicht, weil solche wie du so unglaubliche Schwierigkeiten damit haben, Fragen zu beantworten«, sagte er.
Er ließ Hjelm stehen und wartete nicht auf den Aufzug. Als er auf die Straße kam, stellte er sich wieder mit dem Gesicht zur Sonne und schloß die Augen. Er rekapitulierte noch einmal das Gespräch mit Hjelm und wurde das Gefühl nicht los, auf der falschen Fährte zu sein. Er machte die Augen wieder auf und trat in den Schatten an die Hauswand. Die Vorstellung, daß er im Begriff war, die ganze Ermittlung in eine Sackgasse zu steuern, wollte nicht weichen. Wieder kam ihm die vage Empfindung, daß irgend jemand irgend etwas gesagt hatte, was von Bedeutung war. Da ist etwas, was ich nicht sehe, dachte er. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Wetterstedt und Carlman und Fredman. Ich stolpere darüber, ohne es zu merken. Er spürte, wie die Unruhe sich in seinem Magen einnistete. Der Mann, nach dem sie suchten, konnte wieder zuschlagen, und der Stand ihrer Ermittlungen war ganz einfach der, daß sie keine Ahnung hatten, wer dieser Mann war. Ebensowenig wußten sie, wo sie suchen sollten. Er trat aus dem Schatten der Hauswand und winkte ein freies Taxi heran.
Es war nach halb zwölf, als er vor dem Präsidium bezahlte und ausstieg. Als er zu Forsfält ins Zimmer trat, richtete dieser ihm aus, er solle in Ystad anrufen. Sofort befiel ihn wieder die Angst, etwas Ernstes könne geschehen sein. Ebba war am Apparat. Sie konnte ihn als erstes beruhigen und stellte ihn dann zu Nyberg durch. Forsfält hatte Wallander seinen Schreibtischstuhl überlassen. Wallander zog ein Stück Papier heran und schrieb mit. Sie hatten auf Fredmans linkem Augenlid einen Fingerabdruck gefunden. Er war undeutlich, aber es war ihnen dennoch gelungen, ihn als den gleichen Abdruck zu identifizieren, den sie an den zwei vorherigen Tatorten gefunden hatten. Es konnte jetzt kein Zweifel mehr daran bestehen, daß sie ein und denselben Täter suchten. Die gerichtsmedizinische Untersuchung hatte ergeben, daß Fredman weniger als zehn Stunden tot war, als sein Körper gefunden wurde. Der Arzt war außerdem sicher, daß Fredman noch lebte, als ihm die Säure in die Augen gegossen wurde.
Nach dem Gespräch mit Nyberg stellte Ebba ihn zu Martinsson |299| durch, der eine Bestätigung von Interpol bekommen hatte, daß der Vater von Dolores Maria Santana den Kettenanhänger identifiziert hatte. Martinsson berichtete außerdem, die Botschaft der Dominikanischen Republik in Schweden sei nicht gewillt, die Kosten für die Überführung des Sarges mit den sterblichen Überresten nach Santiago zu übernehmen. Wallander hörte nur noch mit halbem Ohr hin, und als Martinsson seine Klage über die mangelnde Hilfsbereitschaft der Botschaft beendet hatte, fragte er, was Svedberg und Ann-Britt Höglund gerade taten. Sie gruben, lautete Martinssons Antwort, waren aber noch nicht fündig geworden. Wallander sagte, er werde am Nachmittag wieder in Ystad sein, und beendete das Gespräch. Forsfält stand währenddessen im Flur und nieste.
»Allergie«, sagte er und schnaubte sich die Nase. »Im Sommer ist es am schlimmsten.«
Bei dem schönen Wetter gingen sie zu Fuß zu einem Restaurant, das Forsfält oft besuchte, und aßen Spaghetti. Nachdem Wallander von seinem Gespräch mit Hjelm berichtet hatte, erzählte Forsfält von seinem Sommerhäuschen in der Gegend von Älmhult. Wallander merkte, daß Forsfält das Mittagessen nicht verderben wollte, indem er
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