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Wallander 05 - Die falsche Fährte

Wallander 05 - Die falsche Fährte

Titel: Wallander 05 - Die falsche Fährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Tür des Zimmers, das Mats Ekholm zur Verfügung gestellt worden war. Als er Ekholms Stimme hörte, trat er ein. Ekholm hatte die Füße auf den Schreibtisch gelegt und las Papiere durch. Er nickte zum Besucherstuhl, schaute dann zu Wallander auf und warf die Papiere auf den Tisch.
    »Wie kommst du voran?« fragte Wallander.
    »Schlecht«, antwortete Ekholm fröhlich. »Es ist schwierig, diese |192| Person einzukreisen. Schade, daß wir nicht ein bißchen mehr Material haben, von dem wir ausgehen können.«
    »Er hätte mit anderen Worten mehr Morde begehen sollen?«
    »Um es geradeheraus zu sagen, es würde die Sache vereinfachen. In vielen amerikanischen Untersuchungen über Serienmörder, die das FBI veranlaßt hat, zeigt es sich, daß der Durchbruch oft beim dritten oder vierten Mord in Folge kommt. Dann kann man das aussondern, was im einzelnen Fall auf Zufall beruht, und ein durchgehendes Muster herausfiltern. Und was wir suchen, ist ein Muster. Ein Muster, das wir als Spiegel benutzen können, um das Gehirn hinter dem Ganzen erkennen zu können.«
    »Was kann man über Erwachsene sagen, die Comics lesen?« fragte Wallander.
    Ekholm hob die Augenbrauen. »Hat die Frage mit diesem Fall zu tun?«
    »Vielleicht.«
    Wallander berichtete von seiner Entdeckung am Tag zuvor. Ekholm hörte konzentriert zu.
    »Gefühlsmäßige Unreife oder gefühlsmäßige Deformation liegt bei Menschen, die wiederholt Gewaltverbrechen begehen, fast immer vor«, erklärte Ekholm. »Ihnen fehlt die Fähigkeit, sich mit dem Wert anderer Menschen zu identifizieren. Deshalb reagieren sie auch nicht angesichts des Leidens, das sie anderen Menschen zufügen.«
    »Aber nicht alle Erwachsenen, die
Superman
lesen, begehen Morde«, wandte Wallander ein.
    »Genauso, wie es Beispiele für Serienmörder gibt, die Dostojewski-Spezialisten waren«, erwiderte Ekholm. »Man muß ein Puzzleteil nehmen und sehen, ob es irgendwo paßt. Oder ob es vielleicht in ein ganz anderes Puzzle gehört.«
    Wallander begann, ungeduldig zu werden. Er hatte keine Zeit, sich auf eine ausgedehnte Diskussion mit Ekholm einzulassen.
    »Jetzt hast du unser Material durchgelesen«, sagte er. »Was für Schlüsse ziehst du daraus?«
    »Eigentlich nur einen«, erwiderte Ekholm. »Daß er noch einmal zuschlagen wird.«
    |193| Wallander wartete auf eine Fortsetzung, eine Erklärung, die jedoch nicht kam. »Warum?«
    »Etwas im Gesamtbild sagt mir das. Ohne daß ich es mit mehr begründen kann als mit Erfahrungen. Aus anderen Fällen mit Trophäenjägern.«
    »Was siehst du vor dir?« fragte Wallander. »Sag, was du gerade denkst. Irgend etwas. Und ich verspreche dir, daß du nachher nicht dafür geradestehen mußt.«
    »Einen erwachsenen Mann«, antwortete Ekholm. »In Anbetracht des Alters der Opfer, und weil er auf irgendeine Weise mit ihnen zu tun gehabt haben muß, glaube ich, daß er mindestens dreißig ist. Aber vermutlich älter. Die denkbare Identifikation mit einem Mythos, vielleicht einem Indianer, veranlaßt mich zu der Annahme, daß er in sehr guter körperlicher Verfassung ist. Er ist vorsichtig und wagemutig zugleich. Was bedeutet, daß er berechnend ist. Ich glaube, er führt ein regelmäßiges und gut organisiertes Leben. Die innere Dramatik verbirgt er hinter einer Fassade von undramatischer Normalität.«
    »Und er wird wieder zuschlagen?«
    Ekholm hob die Hände und ließ sie wieder fallen. »Hoffen wir, daß ich unrecht habe. Aber du hast mich gebeten zu sagen, was ich gerade denke.«
    »Zwischen Wetterstedt und Carlman lagen drei Tage«, überlegte Wallander. »Wenn er sich an den Drei-Tage-Rhythmus hält, wird er also heute wieder jemanden töten.«
    »Das ist absolut nicht zwingend notwendig«, sagte Ekholm. »Weil er berechnend ist, spielt der Zeitfaktor keine entscheidende Rolle. Er schlägt zu, wenn er sich seiner Sache sicher ist. Natürlich kann heute etwas passieren. Aber es kann auch ein paar Wochen dauern. Oder viele Jahre.«
    Wallander hatte keine Fragen mehr. Er bat Ekholm, an der kurz danach anberaumten Sitzung der Ermittlungsgruppe teilzunehmen. Als er in sein Zimmer zurückging, spürte er ein wachsendes Unbehagen angesichts dessen, was Ekholm gesagt hatte. Der Mann, den sie suchten und von dem sie nichts wußten, würde wieder zuschlagen.
    Er nahm den Block, auf dem er vorhin Nybergs Bemerkung notiert |194| hatte, und versuchte, sich das flüchtige Erinnerungsbild ins Bewußtsein zu rufen, das ihm durch den Kopf geschossen war. Er wurde das

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