Wallander 05 - Die falsche Fährte
Was tat er gerade?
Das Bild war leer. Wallander blickte nur in völliges Dunkel.
Lustlos stand er auf und ging.
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Nach mehr als zwei Stunden vergeblicher Versuche, ein vernünftiges Gespräch zustande zu bringen, verließ Wallander Lars Magnussons Wohnung. Am liebsten wäre er nach Hause gegangen und hätte sich in die Badewanne gelegt. Bei seinem ersten Besuch in Lars Magnussons Wohnung hatte er den Schmutz, der sich überall festgesetzt hatte, nicht wahrgenommen. Doch jetzt war der Verfall nicht zu übersehen gewesen. Die Wohnungstür war angelehnt, als Wallander eintraf. Lars Magnusson lag auf dem Sofa, während in der Küche der Kaffeekessel überkochte. Er begrüßte Wallander mit den Worten, ihm wäre es am liebsten, wenn Wallander zur Hölle führe. Sich nicht mehr zeigte, nur verschwände und vergäße, daß eine Person namens Lars Magnusson existierte. Doch Wallander blieb. Er interpretierte den übergekochten Kaffee in der Küche so, daß Magnusson trotz allem für einen Moment daran gedacht hatte, von seiner Gewohnheit abzuweichen, mitten am Tage mit niemandem zu sprechen. Vergeblich suchte Wallander nach sauberen Tassen. Im Abwaschbecken standen Teller, auf denen Essensreste und Fett zu eigentümlichen fossilienähnlichen Erhebungen erstarrt waren. Schließlich fand er zwei Tassen, wusch sie ab und nahm sie mit ins Wohnzimmer. Magnusson war nur mit einer schmutzigen kurzen Hose bekleidet. Er war unrasiert und hielt eine Flasche Dessertwein in den Händen, als klammere er sich krampfhaft an ein Kruzifix. Wallander war zunächst nur angewidert von dem Verfall. Am ekelhaftesten fand er, daß Lars Magnusson, wie er erst jetzt entdeckte, angefangen hatte, seine Zähne zu verlieren. Danach wurde er ärgerlich und am Schluß wütend, weil der Mann auf dem Sofa nicht zu hören schien, was er sagte. Er nahm ihm die Flasche ab und verlangte ganz einfach, Antwort auf seine Fragen zu bekommen. Mit welchem Recht er das tat, wußte er nicht. Aber Lars Magnusson tat, was Wallander |200| sagte. Er begab sich mühsam in eine sitzende Stellung. Wallander versuchte, tiefer in die alte Welt einzudringen, in der Gustaf Wetterstedt als Justizminister von mehr oder weniger öffentlichen Skandalgerüchten umgeben war. Aber Lars Magnusson schien alles vergessen zu haben. Er erinnerte sich nicht mehr daran, was er bei Wallanders erstem Besuch gesagt hatte. Erst als Wallander ihm die Flasche zurückgab und er noch ein paar Schlucke genommen hatte, kehrten vage Erinnerungen zurück. Als Wallander die Wohnung verließ, hatte er lediglich ein Detail erfahren, das für sie von Interesse sein konnte. In einem Augenblick von Klarheit hatte Magnusson sich daran erinnert, daß ein Polizeibeamter beim Betrugsdezernat in Stockholm ein ganz persönliches Interesse an Wetterstedt gefaßt haben sollte. In Zeitungskreisen wurde gemunkelt, dieser Mann, dessen Name, wie Magnusson unter gewissen Mühen einfiel, Hugo Sandin war, habe ein privates Archiv über Wetterstedt angelegt. Soweit Magnusson wußte, war es nie benutzt worden. Aber er hatte gehört, daß Hugo Sandin nach seiner Pensionierung in den Süden gezogen war und jetzt bei seinem Sohn lebte, der außerhalb von Hässleholm eine Keramikwerkstatt betrieb.
»Falls er noch lebt«, hatte Magnusson gesagt und sein zahnloses Lächeln gelächelt, als hoffe er im Grunde, Hugo Sandin sei vor ihm über den Jordan gegangen.
Als Wallander wieder auf die Straße trat, beschloß er, auf jeden Fall zu untersuchen, ob Hugo Sandin noch lebte. Er überlegte, ob er nach Hause fahren und baden sollte, um das Gefühl von Ekel loszuwerden, das der Aufenthalt in Lars Magnussons muffiger Wohnung hinterlassen hatte. Es war fast ein Uhr. Er verspürte keinen Hunger, obwohl er kaum gefrühstückt hatte. Er fuhr zum Präsidium und nahm sich vor, sogleich nachzuprüfen, ob Hugo Sandin wirklich in der Nähe von Hässleholm lebte, wie Magnusson behauptete. In der Anmeldung stieß er mit Svedberg zusammen, der immer noch von seinem Sonnenbrand gequält wurde.
»Wetterstedt ist von einer Journalistin von
MagaZenit
interviewt worden«, sagte Svedberg.
Wallander hatte noch nie von dieser Zeitung gehört.
»Die kriegen alle Pensionäre«, erklärte Svedberg. »Die Journalistin |201| heißt Anna-Lisa Blomgren. Sie war mit einem Fotografen da. Weil Wetterstedt tot ist, werden sie ihr Material nicht veröffentlichen.«
»Sprich mit ihr«, sagte Wallander. »Und bitte den Fotografen um die Bilder.«
Wallander
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